Herwig Mahr im Abschiedsinterview als Klubobmann im Landtag der FPÖ über die Zusammenarbeit mit der ÖVP und seine Einstellung zu Förderungen. Das Gespräch führte Philipp Fellinger.
Die „blaue Welle“ ist nicht mehr zu sehen. Das Gemälde, das jahrelang an der Wand hinter seinem Schreibtisch hing, nimmt Herwig Mahr aus seinem Büro mit. Nach neuneinhalb Jahren übergibt der 65-jährige FP-Klubobmann seinen Posten mit 1. April. Im Interview mit den OÖN reflektiert Mahr, der sich im Landhaus den Ruf des pragmatischen Verbinders erarbeitet hat, über seine eigene Partei und die Landespolitik.
OÖ Nachrichten: 19 Jahre Landespolitik, neuneinhalb davon als Klubobmann der FPÖ. Wie fällt die Bilanz über einen Posten aus, den Sie laut eigener Aussage gar nie angestrebt haben?
Herwig Mahr: Der Schritt in den Landtag war 2009 möglich, weil ich es zu diesem Zeitpunkt erstmals mit meiner Firma vereinbaren konnte. Dass Manfred Haimbuchner dann 2015 auf mich zugekommen ist und mich gefragt hat, ob ich Klubobmann werden möchte, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Die Zeit als Klubobmann war für mich persönlich erfüllend. Das hat angefangen mit den Koalitionsverhandlungen mit der Volkspartei und war immer geprägt von einer guten und respektvollen Zusammenarbeit im Land. Das muss auch strikt getrennt von der Bundespolitik gesehen werden – was ausgemacht ist, hält.
Gibt es auch etwas, das Sie bereuen?
Vielleicht gab es Entscheidungen, die man im Nachhinein anders getroffen hätte. Eine der größten Schwierigkeiten in der Politik ist, dass man seine Meinung bei egal welchem Thema nicht korrigieren kann – auch weil alles sofort in den Medien ist. In der Privatwirtschaft ist das überhaupt kein Thema. Wenn man gescheiter geworden ist, kann man die eigene Meinung revidieren. Das ist in der Politik etwas, was ich ein bisschen schade finde – dass man nicht gescheiter werden darf.
Sie sind 1977 in die FPÖ eingetreten. Damals waren die Blauen eine Partei mit 5,4 Prozent im Nationalrat und 7,7 Prozent im Landtag. Kann man die Partei von damals überhaupt noch mit der von heute vergleichen?
Der Grundgedanke und die Werte der Bewegung sind noch immer da. Wenn eine Partei aber so gewachsen ist, dann wird alles plötzlich größer. Früher war ich bei Veranstaltungen mit ca. zehn Menschen, jetzt sind es oft um die 100. Dass sich da einiges ändert, ist klar.
Geprägt ist die Geschichte der FPÖ aber auch von Brüchen. Angefangen von der Übernahme durch Jörg Haider 1986 über Knittelfeld 2002 oder die Ibiza-Affäre 2019.
Im Innersten ist die Partei trotzdem noch dieselbe. Es ist auch richtig, dass nicht immer alles eitel Wonne war und ist, das lässt sich aber über jede Partei sagen. Mir war immer wichtig, gerade in Zeiten von Umbrüchen, ausgleichend zu wirken. Besser ein diplomatischer Umgang als die Brechstange. Funktioniert nicht immer, aber meistens gut.
Die Brechstange ist ein Werkzeug, das FP-Bundesparteiobmann Herbert Kickl gerne verwendet. Es gibt nicht wenige, die sagen, dass das ihm auch die Kanzlerschaft und Regierungsbeteiligung der FPÖ gekostet hat. Muss man Kickl Vorwürfe machen?
Das glaube ich nicht, obwohl ich alles gerne kritisch sehe. Aber wenn in Verhandlungen das eigene Wahlprogramm untergeht, muss man diese beenden. Natürlich muss unser Anspruch die Regierung sein, aber nicht um jeden Preis. Daher verstehe ich die Entscheidung von Herbert Kickl sehr gut.
„Wenn man eine ständig wachsende Partei ist, hat man natürlich auch Leute dabei, die sehr ungestüm etwas hinausschreien“ – dieses Zitat von Ihnen über die eigene Partei stammt aus dem Jahr 2015. Seither hat die FPÖ ihre Tonart noch einmal deutlich verschärft.
Jeder hat seinen Stil. Ich bin keiner, der gern schreit. Was zielführender ist, weiß ich auch nicht. Es gibt viele, die genau das an Herbert Kickl kritisieren. Denen möchte ich entgegenhalten, dass er eine Partei übernommen hat, die auf dem Boden lag und jetzt in Umfragen bei 30 bis 35 Prozent steht. Der Erfolg gibt ihm also Recht.
Rechtfertigt Erfolg also alle Mittel?
Nein, das nicht. Ich glaube trotzdem, dass er mit dem Inhalt seiner Ansichten zu 99 Prozent Recht hat. Vielleicht gefällt der Ton manchen Menschen nicht, das ändert aber nichts am Wahrheitsgehalt. Wenn ich mir zum Beispiel das Budgetloch vor Augen führe, frage ich mich schon, wie das passieren konnte und danach der verantwortliche Finanzminister (Anm. Magnus Brunner, ÖVP) auch noch in Brüssel einen Kommissarsposten bekommt. Für einen Menschen wie mich, der aus der Privatwirtschaft kommt, ist so etwas nur sehr schwer nachzuvollziehen, weil ich kann nur das ausgeben, was ich habe. Das betrifft vor allem die Förderungen – und da spreche ich bewusst nicht vom Sozialbereich. Jedem dem es schlecht geht, dem muss geholfen werden. Aber muss wirklich jeder Unternehmer gefördert werden, weil er eine neue Maschine kauft? Das sehe ich nicht ein.
2015 sagten Sie auch, man müsse Mitglieder, „die extrem weit rechts stehen, zur Räson bringen“. Wie passt das zusammen mit einem Obmann der Freiheitlichen Jugend, der auf Veranstaltungen der Identitären auftritt oder mit Ihrem Landesparteisekretär Michael Gruber, der eine Regenbogenfahne in den Müll wirft und von „Aufräumen“ spricht?
Mit Extremen, egal ob rechts oder links, habe ich nichts am Hut, dazu stehe ich auch. Die Aktion von Michael Gruber war vielleicht der Hitze des Gefechts geschuldet, glaube ich. Dass das nicht gscheit’ war, weiß er selber auch.
Die Reform der oberösterreichischen Sozialhilfe war geprägt von Ihrer Handschrift. Mittlerweile denkt auch die neue Bundesregierung an, das Modell dahingehend zu verschärfen. Fühlt man sich da bestätigt?
Wenn ich mir denke, welche Beschwerden es damals von allen Seiten gab, dann schon. Wir haben damals mit der Volkspartei eine Zäsur beschlossen. Zwar helfen wir noch immer den Menschen, die wirklich Hilfe benötigen, wir haben aber echte Anreize für Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt gesetzt. Die Zahl der Sozialhilfe-Empfänger hat sich seither auch um zwei Drittel reduziert. Jenen Menschen, die sich nicht integrieren und vom Staat leben wollen, muss man Grenzen setzen. Das ist auch ein Gebot der Fairness gegenüber Berufstätigen.
Die FPÖ wechselt mitten in der Legislaturperiode den Klubobmann. Wieso eigentlich?
Auch wenn man es mir nicht ansieht, ich bin schon 65 (lacht) – das ist natürlich ein Faktor. Und es war immer klar, dass ich mit dem Ende der Legislaturperiode aufhöre. Und da macht es natürlich Sinn, dem neuen Klubobmann Zeit zu geben, sich einzuarbeiten.
Ihr Nachfolger, Thomas Dim, hat vergangene Woche im Interview mit den OÖN gesagt, dass sein Ziel ist, „mit der ÖVP auf Augenhöhe“ zu kommen. Eine blaue Handschrift in der Landespolitik, zu sehen etwa an der Verhinderung von Windparks, zieht sich durch fast jedes Ressort. Ist die FPÖ nicht schon längst auf Augenhöhe?
Das sehe ich auch so. In der Wirkung nach außen hinken wir vielleicht noch etwas hinterher. Das ist aber in einem Land, das seit Jahrzehnten von der Volkspartei regiert wird, völlig normal. Und das hat Thomas Dim auch gemeint.
Das Interview ist am 21. März 2025 erschienen