Haimbuchner im PRESSE-Interview: „Auch die FPÖ darf aus der Bibel zitieren“

Die Kirche lasse sich von der Regenbogen-Community vereinnahmen und sei leider „im Zeitgeist verhaftet“, sagt Oberösterreichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner. Mindestziel bei der nächsten Parlamentswahl sei eine blaue Sperrminorität im Nationalrat.

Herr Haimbuchner, zuletzt wurde über das Verhältnis der FPÖ zur Religion debattiert, nachdem FPÖ-Chef Herbert Kickl sich bei seiner Parteitagsrede auf Apostel Paulus berufen hatte. Wie halten Sie es mit der Religion?

Manfred Haimbuchner: Ich bin gläubiger Christ, Mitglied der katholischen Kirche und war neun Jahre lang Ministrant in meiner Heimatgemeinde. Meine Kinder werden, so gut es geht, im christlichen Glauben erzogen. Das ist nicht nur eine Glaubens-, sondern auch eine Kulturfrage. Unser Land ist christlich-jüdisch geprägt, und diesen Schatz müssen wir uns bewahren. Grundsätzlich ist Religion aber eine Privatsache.

Das Dritte Lager gilt an sich als traditionell antiklerikal: Orten Sie da eine Hinwendung zum Christentum?

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich sehr viel aufgelöst. Die antiklerikalen Fragen von früher hatten sehr viel zu tun mit dem Herrscherhaus der Habsburger-Monarchie. Im Jahr 2025 betrachten wir das weniger historisch.

Die FPÖ spielt aber schon vermehrt mit religiösen Symbolen, wie beim Wahlplakat-Spruch „Euer Wille geschehe“ oder bei der Anleihe an Paulus. Vertreter der Kirche warnen, die Religion parteipolitisch zu vereinnahmen: Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Bibelzitate darf nicht nur die Amtskirche verwenden, sondern auch die FPÖ. Wenn sie das jedoch macht, fühlt sich sofort ein Vertreter der Amtskirche bemüßigt, seinen Senf dazuzugeben. Wenn man aber selbst mit Regenbogen-Fahnen herumläuft und sich von einer anderen, im Prinzip antigläubigen, Community vereinnahmen lässt, gibt es keinen Aufschrei. Ich habe mir auch das Interview von Herrn Lackner (Erzbischof Franz Lackner äußerte sich kritisch zu Kickls Paulus-Anleihe, Anm.) angesehen. Ich werde ihm meine persönlichen Worte dazu schriftlich übermitteln, als Mitglied der katholischen Kirche und Beitragszahler.

Was werden Sie ihm mitteilen?

Das mache ich in meinem Schreiben und nicht in der Öffentlichkeit.

Halten Sie die Kirche für von der LGBTQ-Bewegung vereinnahmt?

Es ist schon so, dass bei Kirchen oder in Pfarrhöfen zum Teil nicht mehr die Vatikanfahne gehisst wird, sondern die mühseligen Symbole einer Mainstream-Bewegung. Da sage ich, man lässt sich vereinnahmen.

„In der Kirche möchte ich mich nicht mit Zeitgeistbewegungen beschäftigen“, so Haimbuchner.

Sollte diese Bewegung denn nicht auch Teil der Kirche sein und Anspruch auf Repräsentation haben?

Es ist die Frage, wofür sich die Kirche einsetzt und von wem sie sich vereinnahmen lässt. Der Glaube ist eine Privatsache. Aber auch die Kirche muss Äquidistanz halten. Das sage ich jetzt nicht als Politiker, sondern als gläubiger Katholik: Die Kirche ist leider Gottes sehr im Zeitgeist verhaftet. Das schadet ihr. Ich würde mir mehr Spiritualität wünschen und dass man sich mit dem Glauben an sich beschäftigt. In der Kirche möchte ich mich nicht mit Zeitgeistbewegungen beschäftigen.

Gehen wir nach Oberösterreich. Dort mehren sich Schreckensmeldungen über den Arbeitsplatzabbau in der Industrie. Was wäre Ihr Gegenrezept?

Die Probleme der energieintensiven Industrie, vor allem in Oberösterreich, sind bekannt. Die Energiekosten nehmen ihr die Wettbewerbsfähigkeit.

Aber was ist die Lösung?

Wir haben die höchsten Energiesteuern im europäischen Vergleich. Wir müssen die Steuern senken, die CO2 -Steuer abschaffen, die Elektrizitätsabgabe minimieren.

Wie soll all das bei der Budgetlage gegenfinanziert werden?

Wir haben eine Rezession – und diese Rezession kostet uns am meisten Geld.

Aber wenn man Steuern senkt, Zuschüsse gewährt, muss man das Geld irgendwo anders einsparen.

Ja, dann werden wir in manchen Bereichen sparen müssen. Ich habe in meinem Verantwortungsbereich allein im Wohnbau zig Novellierungen herbeigeführt. Wir stehen dort so gut da wie noch nie. Wir alle wissen, dass Österreich ein reines Ausgabenproblem hat.

Was halten Sie von der Debatte um staatliche Preisdeckel und Eingriffe?

Der Markt lügt nicht. Ein funktionierender Markt ist der beste Preisdeckel. Wenn man der Meinung ist, dass der Markt nicht funktioniert – und das ist die sozialistische Argumentation –, muss man sich genau anschauen, warum das so ist: Gibt es unlauteren Wettbewerb und Kartelle? Dafür gibt es Institutionen und Behörden, die darüber wachen.

Solche Forderungen kommen aber nicht nur von links. Ihre Kollegin im Bund, FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch, hat staatliche Preiseingriffe bei Grundnahrungsmitteln, Treibstoff und Energie gefordert.

Jeder bemüht sich, einen Vorschlag zu unterbreiten, wenn er der Meinung ist, dass das die Inflation stoppen könnte. Grundsätzlich sollte es aber so sein, dass wir durch einen funktionierenden Markt und ein funktionierendes Angebot und niedrigere Steuern aus dieser Krise herauskommen.

Sie sitzen seit zehn Jahren in Oberösterreich in einer schwarz-blauen Koalition. In vier weiteren Bundesländern gibt es mittlerweile so eine Zusammenarbeit. Warum klappt es im Bund nicht?

Ich habe den Eindruck, dass es großes Interesse in der Europäischen Union gegeben hat, dass es keinen freiheitlichen Kanzler gibt, sondern dass man mit der ÖVP, der SPÖ und den EU-Fanatikern Neos einen genehmen Ansprechpartner hat. Mit einem freiheitlichen Kanzler wäre es unangenehm geworden für die Herrschaften in Brüssel.

Die EU hat Blau-Türkis verhindert?

Ich habe nicht gesagt, die EU. Aber ich denke, diese Kräfte innerhalb der Europäischen Union, auch die Europäische Volkspartei: Da gibt es eine klare Agenda zu einem EU-Bundesstaat. Die möchten selbstbewusste Parteien, die die eigene Nation schätzen, verhindern. Der zweite Grund war der, dass die ÖVP gesehen hat, dass sie den Kanzler stellen kann mit der SPÖ und den Neos.

Es lag in den Verhandlungen ein gutes Angebot der ÖVP für die FPÖ vor, sie hätte das Finanzressort bekommen.

Ich weiß nicht, was ein gutes Angebot ist, wenn inhaltliche Punkte nicht fixiert werden, die für die FPÖ und ihre Wähler notwendig sind: eine absolute Änderung der Migrationspolitik, eine Änderung der utopistischen Transformation der Industrie. Da war die ÖVP nicht verhandlungsbereit und wollte die FPÖ auf dem Weg in das Kanzleramt kastrieren. Das lassen wir mit uns nicht machen.

Gab es da nicht eine mangelnde Kompromissbereitschaft der FPÖ? Hätte man nicht auch nachgeben können?

Es geht darum, ob man bereit ist, grundsätzliche Themen in dieser Republik anzugehen oder nicht. Und die ÖVP war noch nicht bereit dazu.

Gibt es Irgendetwas an der jetzigen Koalition im Bund, was Sie gut finden?

Sie stellen mir sehr schwierige Fragen, wenn ich ganz ehrlich bin. Aber ja, dass die SPÖ draufkommt, dass der Babler sich besser im Ausland aufhalten sollte und nicht in Österreich. Und die Neos sind demaskiert worden: Es geht ihnen um Ämter, sie streiten schon wie die „alten Parteien“.

Eine Kooperation zwischen Bund und Ländern ist aber erforderlich, wenn etwas aus der Verwaltungs- und Föderalismusreform werden soll. Erste Gespräche laufen, sind Sie da involviert?

Nein. Aber natürlich begrüße ich eine Aufgaben- und Strukturreform. Muss der Bildungsbereich etwa zentralistisch geregelt werden? Könnte man das nicht den Ländern überantworten? Das wäre auch gut für die Vergleichbarkeit der Bundesländer. Solche Schritte wären notwendig, damit Österreich ein echter föderaler Staat wird.

Also tendenziell soll es in Richtung mehr Kompetenzen für die Länder gehen?

Ich fordere nicht mehr Kompetenzen. Gescheit wäre, die Kompetenzen klar zu regeln. Wir haben zum Teil ein Wirrwarr im Bildungs- und Gesundheitsbereich.

Wenn wir bei Strukturreformen sind: Bei Verschärfungen der Sozialhilfe ist Oberösterreich im Sommer vorgeprescht. Warum hat man nicht gewartet, bis bundesweit die einheitliche Neuregelung kommt?

Weil warten nicht unsere Art ist. Wir tun. Wir waren Vorreiter bei der schärferen Mindestsicherung 2015, als jeder gesagt hat, das sei alles verfassungswidrig. Der Großteil hat aber funktioniert.

Jetzt ziehen nach Oberösterreich die Steiermark und Wien nach. Wie soll eine einheitliche Lösung funktionieren, wenn jedes Land schon wieder sein eigenes Süppchen kocht?

Das ist eh nicht mein Ansatzpunkt, dass das einheitlich funktionieren muss. Wir machen es so, dass es für uns passt – und nicht für die Einwanderungspartei SPÖ in Wien. Wenn die Leute, die nicht leistungswillig sind, von uns weggehen nach Wien, soll mir das recht sein. Es ist schade für die Wiener und für Wien – aber wir werden da weiter Druck erzeugen. Auf die Wiener warte ich nicht.

Parteiintern hört man, dass das Mindestziel der FPÖ bei der Nationalratswahl die Sperrminorität im Parlament sein muss. Sehen Sie das auch so?

Ja. Dann wird es ganz schwierig, an der FPÖ vorbeizuregieren. Denn viele Bereiche sind Verfassungsmaterien.

Eine einfache Mehrheit hätten die anderen Parteien trotzdem. Die letzte Regierung mit einer Zweidrittelmehrheit gab es unter Kanzler Gusenbauer.

Aber wenn man glaubt, an den Wahlerfolgen der FPÖ vorbei Politik machen zu können, muss dann schon klar sein: Es gibt viele Verfassungsmaterien, über die man mit der FPÖ wird reden müssen.

Also man blockiert dann einfach alles, auch wenn es sinnvoll ist?

Wenn etwas sinnvoll ist, hat die FPÖ noch nie etwas blockiert. Es geht darum, gestalten zu können – und das geht nur, wenn ich eine gewisse Stärke wie die Sperrminorität habe.

STECKBRIEF

Manfred Haimbuchner ist stellvertretender Landeshauptmann und FPÖ-Chef in Oberösterreich. Seine Partei koaliert in dem Bundesland seit 2015 mit der Volkspartei. Der 47-Jährige wird zum wirtschaftsliberalen Flügel der FPÖ gezählt. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Das am Sonntag, 12. Oktober in der Zeitung PRESSE erschienen Interview führte Daniel Bischof.