„Brauchen Kontinuität statt Brüche“

Manfred Haimbuchner im Interview mit dem Chefredakteur des KURIER Oberösterreich, Dr. Josef Ertl: Enttäuschte Nichtwähler zurückgewinnen und Teile der Bürgerlichen ansprechen. So will die FPÖ bei den Wahlen punkten. Haimbuchner setzt auf Heimatbewusstsein, Tradition, Konservativismus, Liberalität und meint: „Ich bin im Bundesland der Faktor der Kontinuität.“

KURIER: Lothar Höbelt, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Wien und FPÖ-naher Historiker, findet, dass Sie mit Herbert Kickl den falschen Mann zum Bundesparteiobmann gewählt haben. Kickl habe zu wenig Strahlkraft, mit der Wahl habe man weder ihm noch der FPÖ etwas Gutes getan, sagt er im Interview mit den Salzburger Nachrichten.

Manfred Haimbuchner: Höbelt ist ein freundschaftlicher Bekannter, den ich sehr schätze. Er ist ein positiver kritischer Geist. Jeder weiß, dass ich ein Freund von Norbert Hofer bin, nicht nur politisch, sondern auch menschlich. Die Entscheidung wurde so getroffen, wie sie im Präsidium vorgeschlagen wurde. Damit bin ich einverstanden.

Ob sie richtig oder falsch ist, zeigt sich immer erst im Nachhinein. Ich bin optimistisch, dass wir nach der doch schwierigen Phase in den vergangenen Monaten parteiintern in ein ruhigeres Fahrwasser kommen.

Höbelt sagt, ein Parteiobmann muss liefern. Was muss Kickl aus Ihrer Sicht liefern?

Manfred Haimbuchner: Die Frage ist nicht, was Kickl liefern muss, sondern was die Partei insgesamt liefert. Die FPÖ hat sich immer darauf verlassen, dass eine kantige, charismatische Person die Partei führt. Der politische Gegner wurde mit unterschiedlichsten, erfolgreichen Strategien bekämpft, die dahinterliegenden Strukturen sind aber vernachlässigt worden. Struktur bringt Kontinuität. Ich erwarte mir Kontinuität statt Brüche. Wir haben in der Partei über Jahrzehnte hinweg sehr viele Brüche gehabt. Der Parteitag war insofern beruhigend, weil dieser Wechsel kein Bruch war.

Es geht nicht nur um Wahlergebnisse. Wenn es nur um Wahlerfolge ginge, gäbe es viele gute Politiker nicht mehr. Das ist die Natur der Demokratie. Es geht um die Gesamtstrukturierung und Professionalisierung der Partei.

Höbelt meint, ein Parteiobmann müsse die Wechselwähler ansprechen, Kickl sei für diese Gruppe zu wenig anziehend.

Manfred Haimbuchner: Es ist richtig, dass die FPÖ über den Tellerrand hinaus blicken muss, um Menschen zu gewinnen. Das ist nicht so sehr eine inhaltliche Frage, sondern eine Frage, wie man andere Schichten persönlich ansprechen kann. Kickl tritt sehr kantig auf und ist rhetorisch spitzfindig. Man wird sehen, wie sein Versuch aussehen wird, Teile des bürgerlichen Spektrums zu gewinnen. An der inhaltlichen Ausrichtung wird es nicht scheitern. Einen Sozialstaat um jeden Preis gibt es mit ihm nicht. Das ist eine Positionierung, die rechts der Mitte ist.

Die FPÖ hat viele Wähler an die Türkisen von Sebastian Kurz verloren. Es geht darum, sie zurückgewinnen.

Manfred Haimbuchner: Die Analysen zeigen, dass auch viele Wähler zu Hause geblieben sind, weil sie wegen Ibiza und der Spesen-Affäre enttäuscht waren. Das hat zu einem Vertrauensverlust geführt. Wir müssen ihnen zeigen, dass es Sinn macht, die FPÖ zu wählen. Viele sind in Warteposition.

Die FPÖ muss weiters jene ansprechen, die das Vertrauen in die türkise Schauspielertruppe verloren hat. Das ist auch mein Ziel. Für diese bürgerlichen Wähler müssen wir mit unserem Auftreten ein Angebot sein.

Zur Landespolitik. Die FPÖ liegt in den Umfragen für die Wahl am 26. September doch erheblich hinter dem Ergebnis von 2015 (30,36 %). Die ÖVP legt in den Umfragen zu. Wie wollen Sie diese Wechselwähler ansprechen?

Manfred Haimbuchner: Die 30 Prozent von 2015 waren aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen einmalig. Wir hatten aber schon vor 2015 Umfragen, die uns zwischen 23 und 25 Prozentpunkte signalisierten. Die Punkte sind in Wahrheit immer dieselben. Wir vertreten ein Weltbild, das auf der einen Seite heimatbewusst, traditionell und konservativ ist, auf der anderen Seiten vertreten wir den Freisinn, Liberalität und Unabhängigkeit. Wir haben klare Positionen zu einem differenzierten Schulsystem, zum Industriestandort, zur Migration und zum Schutz der Familie. Wir sind die einzige Partei, die bedingungslos sagt, eine Familie besteht aus Mutter, Vater und Kindern.

Ich war vielleicht ein politischer Realist, man könnte auch sagen, ein fader Arbeiter, im Sinne dessen, dass ich meine Arbeit erledigt und nicht täglich drei Pressekonferenzen gegeben habe. Diese Pressekonferenzen-Politiker gibt es inzwischen auch nicht mehr. Wir stellen die Leistung für das Land in den Vordergrund und nicht irgendwelche Utopien, die man sowieso nicht erfüllen kann. Das gibt Vertrauen. Mit dem, wie ich lebe und arbeite, kann sich ein Großteil der Oberösterreicher identifizieren, denn sie leben auch nicht anders.

Landeshauptmann Thomas Stelzer, Ihr Koalitionspartner, hat betont, er wolle keinen Kickl-Stil in Oberösterreich. Er hat damit eine Sollbruchstelle aufgemacht, die es ihm ermöglicht, nach der Wahl den Koalitionspartner zu wechseln.

Manfred Haimbuchner: Die ÖVP hat derzeit große Probleme. Die Bundes-ÖVP hat sehr eigenartige Ansichten zum Rechtsstaat. Dass ein Polit-Profi wie Stelzer versucht, von den atomaren Problemen der ÖVP abzulenken und sich mit Stilfragen beschäftigt, bringt mich nur zum Schmunzeln.

Bei mir weiß jeder, wofür ich stehe. Ich bin nicht gefährdet, grüne Utopien in der Energiewende zu unterstützen. Wir stellen nicht den gesamten Industriestandort infrage. Ich bin im Bundesland der Faktor der Kontinuität. Ich mache nur Versprechen, die man sich leisten und politisch vertreten kann. Die Kontinuität gilt auch für die eigene Partei. Ich fahre keinen Brutalo-Kurs, den sich vielleicht manche wünschen.

Sie sind in der Landesregierung unter anderem für den Wohnbau zuständig. Wohnen wird extrem teuer, Bauen und Wohnungen ebenfalls, die Grundstückspreise steigen, die Rohstoffpreise explodieren, sodass manche den Hausbau einstellen müssen. Wie treten Sie dieser Entwicklung entgegen, was können Sie machen?

Manfred Haimbuchner: Die Wahrheit sagen, dass die Politik in Oberösterreich den Markt nicht ändern kann. Die Rohstoffverknappung bei den Baustoffen, die meines Erachtens in der Pandemie bewusst herbeigeführt worden ist, …

… vom wem?

Manfred Haimbuchner: Hier gibt es unterschiedliche Akteure. Wenn wir diese Bereiche beim Bauen unterstützen würden, dann wäre der Staat ein weiterer Kostentreiber. Oberösterreich hat nach Kärnten die geringsten Mietzinssteigerungen gehabt. In manchen Bereichen sind im vergangenen Jahr die Mieten sogar zurückgegangen.

Der Ursprungsgrund für die steigenden Grundstückskosten liegen in der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) Weil sich Sparen nicht mehr lohnt, wird auf Teufel komm raus in Liegenschaften und Eigentumswohnungen investiert, in das sogenannte Betongold. Die EZB-Politik ist Geldsozialismus, der genau zu diesen Verwerfungen führt. Das ist das Ergebnis linker Politik.

Sie plädieren für ein Zurückfahren der Anleiheankäufe und für eine Erhöhung der Zinsen?

Manfred Haimbuchner: Die Zentralbank muss ihre Geldpolitik ändern, wenn Grundstücke wieder leistbar werden sollen. Die Politik hier im Land kann das nicht steuern. Wir können das nur abfedern, was wir auch gemacht haben. Wir haben die Wohnbeihilfe erhöht und wir erhöhen die Eigenheimförderung. Und wir attraktivieren den sozialen Wohnbau.

In Zukunft werden auch die Energiekosten aufgrund der Energiewende ein Problem werden. Die Energiewende wird zur größten sozialen Problematik in den nächsten zehn Jahren.

Experten fordern, die Energiewende mit Sozialpolitik zu kombinieren, damit die Schwächsten nicht überdurchschnittlich getroffen werden. Wie soll die Energiewende gestaltet werden?

Manfred Haimbuchner: Man kann sie jedenfalls nicht so gestalten. Auf der einen Seite wird die Energiewende mit enormen öffentlichen Subventionen betrieben, was zur Verteuerung der Energie führt. Auf der anderen Seite müssen wir das mit steuerlichen Mitteln und Transferleistungen sozial abfedern. Da sind wir bald in der Planwirtschaft.

Die Energiewende darf keine utopischen Ziele vorgeben wie 100 Prozent Strom aus erneuerbarer Energie bis 2030, oder dass Österreich 2040 klimaneutral ist. Mit diesen Utopien werden die Gesetze der Ökonomie und der Technik außer Kraft gesetzt. Wir brauchen eine technologieunabhängige Förderung. Es geht derzeit alles in Richtung batteriebetriebene E-Mobilität. Es gibt auch E-Fuels und Wasserstoff, die die Energiewende realisieren lassen.

Wir können nicht alles mit Strom betreiben und auf Wasserkraft setzen, und wissen nicht, wo wir Wasserkraftwerke bauen. Wir haben jedes Jahr einen höheren Stromverbrauch, durch die E-Mobilität wird er noch größer. Wir wissen auch nicht, wie wir den Strom transportieren können. Wir brauchen Impulsförderungen.

Was heißt das ?

Manfred Haimbuchner: Sie müssen zeitlich befristet sein. Bei neuen Technologien muss es Förderungen geben, dafür sind sie da. Aber die Systeme müssen sich rechnen.

Mittelfristig?

Manfred Haimbuchner: Ja, Förderungen soll es für zehn oder 15 Jahre geben. Dann müssen sich die Technologien rechnen. Es können Geschäftsideen nicht von der Subventionierung leben.

Das heißt, die Förderung von Elektroautos soll nach zehn Jahren ablaufen.

Manfred Haimbuchner: Man muss die Frage generell stellen, warum werden nur Elektroautos gefördert und andere nicht? Wie sieht es zum Beispiel mit erdgasbetriebenen Autos aus?

Wann ist Österreich klimaneutral? 2050, wie es das EU-Ziel anpeilt?

Manfred Haimbuchner: Wir werden Gas bis 2040 oder 2050 als Brückentechnologie benötigen, um die Sicherheit der Energieversorgung und der industriellen Produktion zu gewährleisten. Das Wichtigste ist nicht die Klimaneutralität, sondern dass wir von Europa aus weltweit Umwelttechnologien exportieren. Die großen Umweltbelastungen finden nicht in Europa, sondern in China, Indien, den USA und Brasilien statt. in Europa werden Utopien von Menschen verbreitet, die noch nie in ihrem Leben Verantwortung in der Privatwirtschaft tragen mussten.

Das Interview erschien am 27. Juni im KURIER.