FPÖ Oberösterreich: Offener Brief an SPÖ-Landesgeschäftsführerin Stadlbauer

Nachstehenden offenen Brief richtet der Landesparteisekretär der FPÖ Oberösterreich, Erwin Schreiner an die Landesgeschäftsführerin der SPÖ Oberösterreich, Bettina Stadlbauer . *****

An die

Landesgeschäftsführerin der SPÖ OÖ

Bettina Stadlbauer

 

Sehr geehrte Frau Kollegin Stadlbauer,

 

mit Erstaunen musste ich Ihre jüngste Stellungnahme bezüglich der FPÖ Oberösterreich und vor allem bezüglich der Nennung der Lieblingsautoren von Dr. Manfred Haimbuchner und KommR Elmar Podgorschek zur Kenntnis nehmen.

Man sollte einen Menschen immer in seiner ganzheitlichen Entwicklung betrachten und sich nicht mit – noch dazu verkürztem – Wikipedia-Wissen an die Öffentlichkeit wenden. Man müsste sich dann nämlich den Vorwurf der geschichtlichen Unbildung gefallen lassen müssen oder der absichtlichen Geschichtsverkürzung zum Zwecke der Lösung von politischem Kleingeld. Beides liegt unter dem Niveau der Sozialdemokratischen Partei.

Unbestritten: Ernst von Salomon war als 20jähriger Mensch in den Mord an Walter Rathenau verwickelt. Ohne diese Phase seines Lebens entschuldigen zu wollen: Die Tat hat er zugegeben, er hat dafür eine Gefängnisstrafe verbüßt und ist danach nie wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Spätestens nach der NS-Zeit hat er sein Leben und auch seine Taten dann sehr kritisch reflektiert. Dies vor allem in seinem berühmten autobiographischen Werk „Der Fragebogen“, welches Dr. Haimbuchner auch als sein Lieblingsbuch angibt.

„Der Fragebogen“ von Ernst von Salomon ist unbestritten ein einzigartig zynisch geschriebenes Buch von einem, der sich nicht von den Nazis hat vereinnahmen lassen, geistig kritisch und unabhängig geblieben ist und seine Zeit und deren Protagonisten sehr kritisch mit spitzer Feder betrachtet hat. Wussten Sie etwa, dass besagter von Salomon seine jüdische Lebensgefährtin während der gesamten NS-Zeit vor den Nazis versteckte? Wiederholt sprach er sich gegen den NS-Rassenwahn aus und machte sich auch über das „Herrenmenschengehabe“ der Nazis lustig (Zitat in seinem Buch „Die Geächteten:„Runengeraune und Rassegerassel“). Er hat die Nazis also nicht nur verabscheut, er hat sich sogar über ihre Protagonisten lustig gemacht und sie mit zynischem Spott betrachtet. Auch die Zusammenarbeit und persönliche Freundschaft nach seiner Haftstrafe mit dem Verleger Ernst Rowohlt, dem man auch keine Sympathien zu den Nazis nachsagen kann, sprechen eine andere Sprache über Ernst von Salomon. Auch dies können Sie im „Fragebogen“ nachlesen.

Ernst von Salomon wird während der Zeit der Weimarer Republik gemeinhin den Autoren der sog. „Konservativen Revolution“ zugehörig kennzeichnet. Ernst von Salomon wird dabei der nationalrevolutionären Richtung während der Weimarer Republik zugeordnet. Diese Zirkel grenzten sich besonders von den bisherigen reaktionären Tendenzen in Deutschland während des wilhelminischen Kaiserreiches deutlich ab. Ganz abgesehen davon, dass Ernst von Salomon sich spätestens zu Anfang der 1930er Jahre nach der Verbüßung seiner Haftstrafe gänzlich aus der Politik und der Öffentlichkeit zurückzog. Erst in den 1960er Jahren engagierte er sich politisch wieder.

Nachdem er bei Kriegsende des Zweiten Weltkriegs endlich sein Land vom Druck und dem Grauen der NS-Herrschaft befreit sieht, ist er ernüchtert, wie die Befreier – hier vor allem die Amerikaner – aus seiner Sicht nicht in der Lage sind, zu differenzieren und viele Sympathien bei den befreiten Deutschen gleich wieder verspielen. Die Gründe für seine Enttäuschung sind ebenfalls im „Fragebogen“ ausführlich nachzulesen.

Der Mangel zu differenzieren ist übrigens eine weit verbreitete Krankheit. Interessant dürfte für Sie in diesem Zusammenhang die weitere Entwicklung, die Ernst von Salomon bis zu seinem Tode 1971 nimmt, sein. So war er nach dem Zweiten Weltkrieg weiter als Drehbuchautor tätig und verfasste unter anderem die Drehbücher zu der obrigkeitskritischen und antimilitaristischen Filmtrilogie „08/15“, deren literarische Vorlage der Schriftsteller Hans Hellmut Kirst – auch nicht eben ein Freund der Nazis – verfasst hatte.

Sein Buch „Der Fragebogen“ – übrigens der erste Bestseller der jungen Bundesrepublik Deutschland, in mehrere Sprachen übersetzt – wurde in der DDR gar in die Liste der „antifaschistischen Autobiografien“ aufgenommen. Ich gebe zu, auch hier wäre man mit Schwarz-Weiß-Denken gemüßigt, von Salomon nun einen „progressiven Kommunisten“ zu nennen. Aber es kommt noch schlimmer: Im Jahr 1961 nahm von Salomon in Tokio an der Weltkonferenz gegen die Atombombe teil und engagierte sich in der aufkommenden Friedensbewegung. Hier vor allem im kommunistisch geprägten „Demokratischen Kulturbund Deutschlands“ und der „Deutschen Friedensunion“. Wie passt das zusammen mit der verkürzten Behauptung, Ernst von Salomon sei ein Rechtsextremist?

Die Antwort liegt in der Natur des Menschen: Der Mensch macht immer Entwicklungen durch. Das Gleiche gilt auch für Joachim Fernau. Auch er hat nach dem Krieg seine eigene persönliche Geschichte durchaus kritisch beleuchtet. Auch er schuf nach den Irrungen des Zweiten Weltkriegs etliche Bestseller und wird noch heute aufgelegt.

Es ist also eine grundsätzliche Frage: Gestehen wir Menschen zu, dass sie dazulernen dürfen und sich entwickeln können, oder beleuchten wir sie in Momentaufnahmen in einer Weise, die unseren aktuellen politischen Zielen passt?

Wir können uns abschließend als Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich besonders in der aktuellen Berichterstattung vieler österreichischer Medienerzeugnisse nicht des Eindrucks erwehren, dass jetzt jeder noch so kleine Anlass dazu genutzt wird, um ein „Skandälchen“ zu schaffen. Man darf der Sozialdemokratischen Partei in Oberösterreich, die politisch um das nackte Überleben kämpft, durchaus zugestehen, dass man die politische Auseinandersetzung sucht, jedoch sollte dabei nicht die geschichtliche Wahrheit und das Faktenwissen auf der Strecke bleiben.

Ich darf Ihnen daher sehr empfehlen, Ihre Fachkenntnisse nicht nur bei Wikipedia zu beziehen, sondern vielleicht sogar einmal zu Originalquellen, wie etwa „Der Fragebogen“ zu greifen. Denn wir alle wissen: Lesen bildet! Autoren wie Fernau oder von Salomon sind daher aus unserer Sicht nicht dazu geeignet, sie zu skandalisieren. Insbesondere wenn man deren Lebensweg und Entwicklungen – auch Irrwege – ganzheitlich betrachtet.

 

Erwin Schreiner

Landesparteisekretär FPÖ Oberösterreich