Haimbuchner im DIE-WELT-Interview: „Wir wollen keine Parallelgesellschaften“

Ein ausführliches Interview mit der deutschen Zeitung “ DIE WELT“ gab kürzlich FPÖ-Landesparteiobmann, Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner. 

Die rechtspopulistische FPÖ könnte im Herbst erstmals den Kanzler stellen. Ein möglicher Kandidat: Manfred Haimbucher. Im Interview erklärt er, wie seine Partei regieren würde.

Manfred Haimbuchner hat gute Chancen, im Herbst österreichischer Kanzler zu werden – und damit der erste Regierungschef, den die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) stellt. Spitzenkandidat ist zwar Herbert Kickl, aber die Österreichische Volkspartei (ÖVP), die derzeit regiert, hat angekündigt, ihn niemals als Kanzler zu wählen. Haimbuchner könnte der Kompromisskandidat der FPÖ sein. Der promovierte Jurist ist seit 2015 Vize-Ministerpräsident in Oberösterreich, in einer Koalition mit der ÖVP. Er ist Vater von zwei Kindern.

DIE WELT: Herr Haimbuchner, ist die FPÖ eine bürgerliche Partei?

Haimbuchner:  Natürlich. Bürgerliche Werte und Staatsbürgerrechte sind für uns zentral. Wir sind keine Fassadenkonservative.

DIE WELT: Aber die FPÖ verunglimpft immer wieder den politischen Gegner und polarisiert damit auch die Gesellschaft in Österreich. Auf Parteitagen und im Parlament werden Politiker der konservativen Regierungspartei ÖVP als „Folterknechte“, „schwarze Versager“, „Witzfiguren“, „Blindschleichen“ „Lügner“ oder „Spinner“ beschimpft. Diffamierung statt Respekt – das ist
nicht bürgerlich.

Haimbuchner: Ich würde aus der Erfahrung der vergangenen Jahre sagen: Gewisse rhetorische Begriffe sind ein Mittel, um Berichterstattung in einem ganz klar abgegrenzten Markt zu erreichen. Die FPÖ hat immer wieder die Erfahrung gemacht: Wenn wir sachlich argumentieren, findet das bei Journalisten und anderen Zuhörern häufig keinen Niederschlag. Mich hat das überrascht. Mir persönlich ist auch nicht jede Formulierung angenehm. Andererseits weiß ich aber auch, dass die feine Klinge oft keine Resonanz findet.

DIE WELT: Der Zweck heiligt also die Mittel.

Haimbuchner: Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Ich wundere mich andererseits auch, wie schnell FPÖ-Politiker in Österreich von angesehenen Kommentatoren zu Extremisten abgestempelt werden.

DIE WELT: Welche Werte sind Ihnen wichtig? 

Haimbuchner: Politisch: Leistung, Heimat und Sicherheit. Persönlich: die Familie, als Gemeinschaft von Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen. Die Familie ist die wichtigste Solidargemeinschaft im Leben. Eine Gesellschaft funktioniert umso besser, je mehr sie sich auf intakte Familien stützen kann.

DIE WELT: Schließt das auch gleichgeschlechtliche Familien ein? 

Haimbuchner: Persönlich habe ich damit kein Problem. Es gibt auch in der FPÖ gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Aber ich bin strikt dagegen, dass gleichgeschlechtliche Partner Kinder adoptieren dürfen, auch wenn ich natürlich weiß, dass das gesetzlich möglich ist.

DIE WELT: Welche Gesetze würde die FPÖ zuerst durchsetzen, falls sie ab Herbst den Kanzler stellen?

Haimbuchner: Erstens: Strikte Zurückweisungen von illegalen Migranten in sichere europäische Drittstaaten wie Ungarn. Solche Pushbacks wurden jahrelang gemacht, auch von sozialdemokratischen Innenministern. Es geht dabei um unsere nationale Sicherheit. Ich will keine neuen Asylbewerber mehr in Österreich sehen. Wir wollen keine Parallelgesellschaften,
wie an einigen Orten in Deutschland. Wir wollen nicht, dass nur noch zwei österreichische Kinder in einer Klasse von 25 Schülern sind. Diejenigen, die das zulassen, sind die Verfassungsfeinde.

DIE WELT: Jetzt übertreiben Sie aber maßlos.

Haimbuchner: Nein, denn das schadet unserem Land und unserem Zusammenleben massiv. Die jüngsten Mordanschläge auf Polizisten in Deutschland und Österreich am helllichten Tag auf der Straße beweisen leider, dass ich nicht übertreibe.

DIE WELT: Was würde die FPÖ als Regierungspartei noch vorantreiben?

Haimbuchner: Zweitens: Die Abkehr vom Brüsseler Green Deal, der in Österreich noch einmal verstärkt wurde. Er belastet Bürger und Unternehmen in unfairer und wirtschaftsfeindlicher Weise. Wir werden uns den Utopisten aus Brüssel nicht beugen. Drittens: Wir werden selbstbewusster in der EU auftreten. Natürlich wird ein FPÖ-Kanzler ernsthaft verhandeln, aber Brüssel soll merken, dass wir ein souveränes Land sind und kein Stimmvieh zur Herstellung von Einstimmigkeit. Und wir werden uns gewiss Partner in Brüssel suchen, die das Subsidiaritätsprinzip wieder mit Leben erfüllen.

DIE WELT: Würde die FPÖ weitere Russland-Sanktionen in Brüssel unterstützen, wofür ja Einstimmigkeit notwendig wäre?

Haimbuchner: Welchen Sinn sollte das machen? Das Ziel muss sein, den Krieg zu beenden, möglichst durch Dialog. Sanktionen sind dazu nicht der richtige Weg, das hat die Vergangenheit eindrücklich gezeigt.

DIE WELT: Und würde die FPÖ eine Zusammenarbeit von Giorgia Melonis Fratelli d’Italia und der rechtspopulistischen Partei von Marine Le Pen, dem Rassemblement National (RN) unterstützen?

Haimbuchner: Wir beschäftigen uns mit der Realität und nicht mit hypothetischen Allianzen.

DIE WELT: War der Ausschluss der AfD aus der Fraktion Identität und Demokratie im EU-Parlament richtig?

Haimbuchner: Die FPÖ hat dagegen gestimmt, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

DIE WELT: FPÖ-Chef Kickl hat kürzlich einen „Geh-heim-Plan“ ausgerufen und gesagt: „Remigration ist Trumpf“. Finden Sie das nicht abscheulich?

Haimbuchner: Warum? Unser Parteiobmann fordert nichts anderes als die Durchsetzung von Gesetzen: Leute, die sich illegal in unserem Land befinden, sollen abgeschoben werden und remigrieren, also in ihre Heimatländer zurückkehren. Wir meinen damit die Zurückführung von Personen, die keinen rechtskonformen Aufenthaltstitel haben-

DIE WELT: Sie meinen mit „Remigration“ also nicht die Abschiebung sogenannter nicht assimilierter Österreicher oder von Personen mit einer Doppelstaatsbürgerschaft?

Haimbuchner: Nein.

DIE WELT: Würde die FPÖ mit der ÖVP als Juniorpartner koalieren?

Haimbuchner: Ich befürworte eine Zusammenarbeit zwischen Parteien der Mitte, wie der ÖVP, und Parteien rechts der Mitte, wie der FPÖ. Ich habe da auch kein Lagerdenken. Falls die ÖVP einer Regierung, die von der FPÖ geführt wird, ihre Zusammenarbeit anbietet, so fände das ausdrücklich meine Unterstützung.

DIE WELT: Die ÖVP will aber nicht unter einem Kanzler Herbert Kickl in einer Koalition mit der FPÖ zusammenarbeiten. Kommen Sie als freiheitlicher Politiker mit der größten Regierungserfahrung dann ins Spiel?

Haimbuchner: Sollten wir die Wahl mit unserem Spitzenkandidaten Herbert Kickl gewinnen, so hat er einen natürlichen Anspruch auf die Kanzlerschaft. Es ist eine Unart, die in Demokratien um sich greift, dass Parteien ihren demokratischen Mitbewerbern vorschreiben, wer akzeptabel ist und wer nicht. Ich würde niemals auf die Idee kommen, der ÖVP vorzuschreiben, wen sie als Landesminister in Oberösterreich benennen soll.

 

Das Interview führte Redakteur Christoph B. Schlitz und der  Beitrag ist am 6. Juni 2024 erschienen.