Der einflussreiche FPÖ-Chef von Oberösterreich über die „Gefahr“ des Sozialismus, was er Erzbischof Franz Lackner noch schreiben will – und sein Verhältnis zu FPÖ-Chef Herbert Kickl.
Seit 2015 ist er Landeshauptmann-Stellvertreter von Thomas Stelzer (ÖVP) in Oberösterreich, für die Landtagswahl in zwei Jahren wird FPÖ und ÖVP ein Kopf-an-KopfRennen prognostiziert. Manfred Haimbuchner spricht über die Not der Industrie und das, was die FPÖ mit USPräsident Donald Trump verbindet.
KURIER: Pleite bei KTM, Jobabbau bei Lenzing: Wie geht es dem Industriestandort Oberösterreich?
Manfred Haimbuchner: Wir stehen an der Kippe: Sind wir als Wirtschaftsstandort noch attraktiv, oder wird die Deindustrialisierung, die es seit 30 Jahren gibt, voranschreiten? Ohne produzierende Industrie gibt es keinen Wohlstand, keine funktionierende Gesundheitsversorgung, kein Sozialsystem. Man muss sich nur in Europa umschauen: In Ländern, in denen der Produktionsfaktor am BIP hoch ist, geht es den Menschen gut.
Die Koalition will heuer eine Industriestrategie präsentieren. Was muss diese jedenfalls beinhalten? Billigere Energie für die Industrie?
Natürlich, aber dafür brauche ich keine Strategie. Ich hatte erst letzte Woche einen Termin bei der Industriellenvereinigung Oberösterreichs, das ist das Herzstück der Industrie – es wäre für die Bundespolitik besser, sich dort umzuhören, denn die kennen die Probleme! Wir haben in Oberösterreich mit der Voest, der Amag, der Ziegel- oder Zementindustrie energieintensive Betriebe, die alle eines sagen: Wir haben zu hohe Abgaben! Bei Elektrizität liegen wir 1.500 Prozent über dem EU-Schnitt, beim Gas bei über 550 Prozent und: Wir haben die CO2 -Besteuerung, die weg muss.
Und Sie haben keine Fluganbindung mehr zwischen Linz und Frankfurt. Warum ist die Strecke, wenn sie für die AUA unrentabel ist, so wichtig?
Erstens: Ein Flughafen ist ein wichtiger Teil der Infrastruktur. Zweitens habe ich den Eindruck, dass man die Strecke Linz–Frankfurt „abgewrackt“ hat. Man konnte sich nie sicher sein, ob der Flug gestrichen wird oder nicht. Jede unsichere Verbindung führt dazu, dass sie nicht genutzt wird. Natürlich hat der Flughafen durch die Anbindung der Westbahn an Wien verloren, aber gleichzeitig wurde der Flughafen selbst lange Zeit als Cashcow gesehen. Die marode Stadt Linz hat nicht investiert, sondern Gewinne entnommen.
Braucht Linz einen Flughafen?
Er ist ein wichtiger Flughafen im Frachtbereich und für die zivile Luftfahrt. Für uns war immer Frankfurt ein wichtiges Drehkreuz, aber es wurde auch schon früher diskutiert, ob nicht Istanbul ein interessantes Drehkreuz sein könnte. Noch mal: Der Flughafen wird genutzt, wenn das Angebot stimmt, dafür brauchen wir innovative Ideen.
Könnten Sie sich vorstellen, dass das Land den Flug bestellt wie der Bund einzelne Züge?
Ich kann mir im Leben immer alles vorstellen, aber es muss sich rechnen. Man darf die Infrastruktur nicht dem Zufall überlassen, und wenn die Stadt Linz nicht dafür aufkommen kann, dann soll das Land den Flughafen übernehmen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass sich die private Wirtschaft beteiligt. Gerade werden Markteingriffe diskutiert oder vorgenommen.
Können Sie den Eingriffen in den Wohnungsmarkt als langjähriger Wohnbaureferent in Oberösterreich etwas abgewinnen?
Es gibt reihenweise Eingriffe. Es gibt solche, die ein Marktversagen kompensieren sollen und solche, die rein ideologisch getrieben sind. Die Wohnbauförderung ist in einem gewissen Ausmaß auch ein Markteingriff. In Oberösterreich haben wir die Förderung mit Elementen des freien Marktes verbunden. So wurde mehr gebaut und saniert als in jedem anderen Bundesland. Wir liegen bei den Mieten derzeit unter dem Österreich-Durchschnitt und bei Städten über 100.000 Einwohnern – also Linz – bei den leistbarsten Mieten. Der Mietendeckel aber ist zum Scheitern verurteilt.
Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel kommt für Sie nicht infrage?
Preiseingriffe sind per se überhaupt kein Mittel. Entweder es funktioniert der Markt oder nicht, denn: Der Markt lügt nicht. Und wenn er nicht funktioniert, dann muss man sich ansehen, ob es einen unlauteren Wettbewerb oder eine Marktkonzentration gibt. Wir diskutieren aber nicht über den Markt, weil auf allen Ebenen der Sozialismus vorherrscht.
Themenwechsel: Liegt es an Ihnen, Herbert Kickl oder der Themenkonjunktur, dass Sie in allen Umfragen an erster Stelle liegen?
Es ist wie in einem Mosaik jeder einzelne Stein wichtig. Natürlich hilft uns der Bundestrend in den Ländern und umgekehrt. Dazu muss man sagen, 2015 sind wir vielleicht über unserem eigentlichen Wert gelandet, 2021 hatten wir die Nachwirkungen von Ibiza und waren unter Wert. Während all der Jahre haben wir in der Landesregierung aber immer das Verbindende vor das Trennende gestellt. Genau das kommt bei den Menschen an.
Ist der oö. Landtagswahltermin 2027 sakrosankt? Die schlechten Wirtschaftsdaten könnten für eine Vorverlegung sprechen …
Wir müssen die Dinge rational und nüchtern betrachten. Ich weiß, dass es einige gibt, auch in der ÖVP, die nervös werden – das ist verständlich. Die Legislaturperiode in Oberösterreich dauert sechs Jahre, und sie funktioniert – auch persönlich. Es gibt überhaupt keinen Grund für eine Vorverlegung.
Wählen wir im Bund erst 2029?
Das weiß ich nicht. Sie sollen etwas Gescheites arbeiten, aber dazu sind sie nicht in der Lage.
Niemand?
Ich sehe die Regierung als Ganzes, obwohl sich ein paar schon besonders negativ hervortun, wiewohl ich niemandem ein Bemühen absprechen will. Bei einem hat man schon versucht, ihn ins Ausland abzuschieben: Es war nicht der Emil, sondern der Babler.
Hat sich Ihr Verhältnis zu Bundesparteiobmann Herbert Kickl mit den Wahlsiegen nach Ibiza verändert?
Eine Partei verändert sich immer, allein schon wegen der Themen, denen man sich widmet. Die FPÖ ist flexibel genug, um sich den Herausforderungen zu stellen – und das durchaus unkonventionell. Wir sind zusammengeschweißt, weil die schwierigen Zeiten uns prägten, in denen der Bundesparteiobmann mitgeholfen hat, aus der Krise herauszukommen. Die FPÖ ist erwachsen geworden.
Beim FPÖ-Parteitag fielen zwei Dinge auf: die Nähe zu Trump und das Bekenntnis zum Glauben.
Die FPÖ ist aufgrund des Konservativismus und der liberalen Auffassung natürlich näher bei den Republikanern als bei den Demokraten. Man sollte aber nicht zu viel hineininterpretieren und keine Vergleiche anstellen, denn die US-amerikanische Politik ist eine ganz andere als die europäische. Die Vielfalt, von der andere reden, die leben wir in Europa tatsächlich in der patriotischen Fraktion (im EU-Parlament, PfE; Anm.). Das verbindende Element von uns allen ist das Unkonventionelle. Dass man Dinge klar formuliert, die der politischen Korrektheit widersprechen und die sich nicht dem Meinungsdiktat der 68er-Bewegung unterwerfen. Und dass man eine positive Einstellung zur eigenen Kultur, Identität und zum Wertebild hat, in dem die Familie aus Frau und Mann und Kindern besteht, aber gleichzeitig nicht andere ausschließt. Was uns noch alle verbindet: das Ablehnen von Utopien, die am Ende nicht alle Menschen reicher machen, sondern ärmer. Der Sozialismus ist eine große Gefahr.
Den Sie in Österreich wo verorten?
Der Sozialismus schreitet in den unterschiedlichsten Formen und in Parteien voran. Es gibt ja auch Sozialisten in der ÖVP. Es ist ja nicht so, dass man den Sozialismus nur festmachen kann an einer Partei. Also wenn man sich diese Förderpolitik der letzten Jahre anschaut: Das hätte nicht einmal der Bruno Kreisky zusammengebracht.
Herbert Kickl sprach am Parteitag von „Glaube, Liebe, Hoffnung“. Hat der Glaube in der FPÖ an Bedeutung zugenommen?
Mit Verlaub: Kickl hat die Bibel und Begriffe zitiert, die positiv besetzt sind, unabhängig vom Alten und Neuen Testament. Ich persönlich bin gläubig, Mitglied der katholischen Kirche und lasse mir von niemandem in der Kirche, auch nicht vom Erzbischof Franz Lackner, vorschreiben, was ich oder Kickl an einem Bundesparteitag sagen. Das werde ich Lackner auch noch persönlich schreiben. Die Kirche hat nicht die Interpretation des Alten oder Neuen Testaments für sich gepachtet. Die christlich-abendländisch-jüdische Kultur, die uns prägt und uns massiv vom Islam unterscheidet, weil es bei uns auch die Möglichkeit des Verzeihens gibt, werden wir in aller Öffentlichkeit diskutieren. Aber noch einmal: Religion ist eine Privatangelegenheit. Für mich ist das Kreuz auch nicht nur ein christliches Symbol, sondern ein Symbol unserer Kultur, etwas Positives.
Gehören Kreuze in Klassenzimmer?
Ja.
Fakten
Manfred Haimbuchner Der promovierte Jurist (Jg. 1978) beginnt als Gemeinderat in Steinhaus (OÖ). Von 2006 bis 2009 ist er im Nationalrat, bei der OÖ Landtagswahl 2009 erstmals FPÖ-Spitzenkandidat. 2015 wird er erstmals LH-Stellvertreter in der ÖVP-geführten Regierung. Nach der Wahl 2021 setzen ÖVP und FPÖ ihre Zusammenarbeit fort. Gewählt wird alle sechs Jahre – demgemäß finden 2027 Landtagswahl statt. Laut Umfragen liegen ÖVP und FPÖ gleich auf.
Ergebnis 2021: ÖVP 37,61 %, FPÖ 19,77 %, SPÖ 18,58 %, Grüne 12,32 %, Neos 4,23 %, MFG 6,23 %.
Das Interview führte Johanna Hager, der Artikel ist am 9. Oktober 2025 erschienen.