Haimbuchner im OÖN-Sommergespräch: „Man darf schon auch Ziele haben“

Beim Sommergespräch mit Markus Staudinger von den Oberösterreichischen Nachrichten betont FPÖ-Landesparteiobmann, Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner, dass er nicht als Minister nach Wien will – lieber würde er Landeshauptmann werden.  Über die Identitären sagt er, man solle „bestimmte Bewegungen nicht kriminalisieren“. Das gesamte Interview ist auch per Video unter Manfred Haimbuchner – Sommergespräch 2023. – „Man darf schon auch Ziele haben“ – YouTube zu finden.

 OÖNachrichten: Herr Landeshauptmann-Stellvertreter, für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Herbert Kickl nächstes Jahr Kanzler wird?

 Manfred Haimbuchner: Dass die FPÖ stärkste Kraft wird, halte ich für durchaus wahrscheinlich. Dann ist es Tradition, dass der Kandidat der stärksten Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Da werden wir sehen, ob manche Eliten in diesem Land dem Wählerwillen gerecht werden.

Der Auftrag alleine hilft Ihnen noch nichts. Die FPÖ muss schon auch einen Koalitionspartner finden.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass man mit uns das Gespräch führen wird. Denn all das, was jetzt in diesem mühsamen Vorwahlkampf auch von Seiten der ÖVP gesagt wird: Was ist denn das nach einer Wahl wirklich wert?

Sie glauben also, die ÖVP wird mit der FPÖ koalieren?

Können Sie sich noch an die Unterschriften der ÖVP-Minister erinnern, dass es eine Regierung ohne Kurz nicht geben wird? Da sind jetzt noch VP-Minister im Amt, die dieses Dokument unterschrieben haben. Also wenn Unterschriften schon nichts wert sind, würde ich auf Aussagen vor der Wahl nichts geben.

Ist Herbert Kickl denn der beste Kanzler, den die Freiheitlichen aufbieten können?

Er ist unser Spitzenkandidat, unser bester Kandidat und deswegen unser Kanzlerkandidat. Da wird es keine Diskussion geben – auch nach der Wahl nicht. Wer Strategien aufbaut, wonach es ja mit der FPÖ ginge, aber mit dem ach so bösen Spitzenkandidaten nicht, ist auf dem Irrweg.

Es wird also kein Modell Haider/ Riess-Passer geben wie anno 2000?

Sicher nicht. Da werde auch ich dagegen auftreten, dass man das nur andenkt. Man lässt sich als politische Kraft nicht erpressen.

Zuletzt hatten Sie Differenzen mit Ihrem Parteichef aufgrund der Gehaltserhöhung für Politiker, die in Oberösterreich – anders als im Bund – teilweise vollzogen wird. Kickl hat gesagt, es wäre anständig, gänzlich auf eine Gehaltserhöhung zu verzichten. Fühlen Sie sich beleidigt, dass er Ihnen Anstand abspricht?

Ich bitte Sie, er hat mir ja nicht den Anstand abgesprochen. Ich arbeite anständig und muss auf Landesebene jene Fehler ausbaden, die Schwarz-Grün im Bund macht. Ich verstehe, dass man im Fall der Bundesregierung, die diese überbordende Inflation zu verantworten hat, eine Gehaltsanpassung ablehnt. Aber meinen Abgeordneten, meinen Bürgermeistern, meinen Gemeinderäten, übrigens auch jenen der politischen Mitbewerber, gönne ich die Anpassung, die in Oberösterreich ohnehin nur die Hälfte der Inflationsrate ausmachen wird. Weil jeder versucht, seine Arbeit ordentlich zu machen. Am Ende entscheidet der Wähler, was der Politiker wert ist oder nicht. Das Modell „Wer macht es am billigsten?“ ist nicht immer das beste Modell.

Aktuell löst ein Video der FP-Jugend Empörung aus, das in Stil und Inhalt wie ein Identitären-Video daherkommt. Wie stufen Sie die Identitären ein? Als rechtsextreme Gruppierung wie der Verfassungsschutz? Oder wie Ihr Parteichef Herbert Kickl als „NGO wie Greenpeace“, nur halt von rechts?

Ich bin Regierungsmitglied in Oberösterreich und seit 2009 verantwortlich für ein paar Milliarden Euro. Glauben Sie, dass ich mich über irgendwelche aktivistischen Bewegungen unterhalte?

Ja. Es ist ja nicht so, dass sich die Landes-FP nie mit den Identitären auseinandergesetzt hätte. 2018 noch hat die Landespartei einen Beschluss gefasst, dass es ein Parteiausschlussgrund ist, wenn jemand bei den Identitären aktiv ist. Gilt das noch?

Ja, so wie man auch nicht bei einer anderen politischen Gruppierung dabei sein kann. Das ist ja völlig normal.

Wenn der Obmann der FP-Jugend OÖ, Silvio Hemmelmayr, bei Identitären-Demos auftritt und Reden hält – wie qualifizieren Sie das? Ist das aktiv sein?

Das qualifiziere ich gar nicht in den Medien. Wenn ich mit der entsprechenden Person etwas zu bereden habe, werde ich das persönlich tun. Generell sollte man das unaufgeregter sehen. Ich bin nicht der Freund von Aktionen, bei denen Druck auf der Straße ausgeübt wird. Ich bin dafür, dass man sich in Gemeinderäten, Bezirksparteien, Landes- und Bundesparlamenten engagiert. Aber man sollte jungen Menschen auch ein bisschen Aktivismus zugestehen.

Die Antwort, ob Sie in den Identitären nun eine rechtsextreme Gruppierung sehen oder nicht, sind Sie noch ausständig.

Ich halte es nicht für richtig, bestimmte Bewegungen zu kriminalisieren. Was mich allerdings nachdenklich macht, ist, dass die von Ihnen angesprochene Bewegung schwer zu fassen ist. Da gibt es keinen Obmann, keinen Vorstand und meines Wissens auch kein Vereinsregister. Man weiß nicht, mit wem man es zu tun hat. Da bin ich vorsichtig, das gefällt mir nicht.

Auf Landesebene hat Ihr Koalitionspartner ÖVP zuletzt mehrfach betont, Oberösterreich brauche als Wirtschaftsstandort dringend qualifizierten Zuzug für den Arbeitsmarkt. Hält die FPÖ das für richtig?

Zum Teil ja. Allerdings haben wir nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern auch ein riesiges Teilzeitproblem. Wir könnten uns manches an Zuzug sparen – und das sehe ich gar nicht ideologisch –, wenn man Beschäftigte dazu bringt, von Teil- auf Vollzeit aufzustocken. Das Problem ist aber, wie auch die OÖN berichtet haben, dass das derzeit steuerlich benachteiligt ist. Die Leute sind nicht bereit, mehr zu arbeiten, wenn sich Leistung nicht auszahlt. Das muss man ändern. Sonst funktioniert das auch nicht mit dem Zuzug. In typischen Einwanderungsländern wie Neuseeland, Australien, Kanada oder den USA gibt es sehr strenge Einwanderungsregeln. Dort gibt es Zuzug von Leuten, die gebraucht werden. Bei uns dagegen ist es leichter, illegal und unqualifiziert zu kommen und im sozialen Netz zu landen. Und die Leute, die wir brauchen, bekommen wir nicht.

Ist Österreich ein Einwanderungsland für Sie?

Österreich ist de facto ein Land mit unkontrollierter Einwanderung.

Soll Österreich ein Einwanderungsland sein?

Wir sollten attraktiv sein für Leute, die wir für den Arbeitsmarkt brauchen.

Sollte die FPÖ 2024 in einer Regierung sein – ist ein Wechsel nach Wien für Sie ein Thema?

Nein, mich wird man nicht auf der Regierungsbank in Wien sehen. Ich bleibe in Oberösterreich.

Ist Landeshauptmann in Oberösterreich Ihr Ziel?

Man darf schon auch Ziele haben.

Ihre Eigenbeschreibung lautet „bürgerlich-rechtsliberal-konservativ“. Müssten Sie da nicht daran interessiert sein, dass Herbert Kickl bei einer Regierungsbeteiligung der FPÖ ein parteiinternes Korrektiv in dieser Richtung in der Regierung hat?

Herbert Kickl braucht kein Korrektiv, und man sollte ihm öfter genau zuhören. Er hat schon auch eine ganz klare Meinung zum Thema Leistung und Eigenverantwortung.

Bürgerlich-konservativ ist kein Attribut, das man Herbert Kickl ad hoc zuschreiben würde.

Das ist auch mein Attribut. Wenn man ihm aber genau zuhört, sieht man, dass wir in vielen Dingen eng beieinander sind.

Haben Sie es nicht bequem? Sie geben sich bürgerlich-konservativ, und von den Stimmen, die Kickl einsammelt, profitieren Sie auch.

Ich bin seit 2009 in Regierungsverantwortung, bemühe mich Tag für Tag um Dinge, die in der Öffentlichkeit oft nicht wahrgenommen werden, aber absolut notwendig sind für ein gutes Funktionieren in diesem Land – ob Naturschutz, Wohnbau oder baurechtliche Bestimmungen. Ich sitze heute noch im Gemeinderat in Steinhaus bei Wels, weil mir das persönlich wichtig ist. Ganz im Ernst: Da machen es sich andere viel bequemer – auch in der eigenen Partei.01

Das Interview ist in der Printausgabe der OÖ Nachrichten am 31. August erschienen und auch unter https://www.nachrichten.at/politik/landespolitik/haimbuchner-man-darf-schon-auch-ziele-haben;art383,3875484 zu finden.