„Ich gehöre nicht zu den Staudenhockern“

FPÖ-Landesparteiobmann, Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner im Interview mit dem Chefredakteur der Oberösterreichischen Nachrichten, Mag. Wolfgang Braun. 

FPÖ-Landeschef LH-Stv. Manfred Haimbuchner hat aus seiner Skepsis gegenüber Herbert Kickl nie ein Geheimnis gemacht. Trotzdem wurde Kickl diese Woche zum neuen FPÖ-Chef designiert. Die OÖNachrichten haben Haimbuchner nach turbulenten Tagen zum Interview gebeten.

Sie haben vergangenes Wochenende gesagt, der nächste FPÖ-Chef werde von Ihnen keinen Vertrauensvorschuss bekommen. Gilt das noch?

Manfred Haimbuchner: Das gilt, denn jeder muss sich beweisen.

Haben Sie eigentlich mit Norbert Hofer schon ausführlich gesprochen nach seinem Rückzug?

Manfred Haimbuchner: Wir haben lange telefoniert, uns verbindet eine Freundschaft über die Politik hinaus. Er hat mir seine Beweggründe geschildert, die ich alle – auch menschlich – nachvollziehen kann. Daher verstehe ich die Entscheidung, sie tut mir persönlich weh, denn ich hätte mir gewünscht, dass wir diese Diskussion nicht vor der Landtagswahl haben. Sie wurde jetzt aber schnell beendet, worüber ich froh bin.

Sie haben sich kritisch über Herbert Kickl geäußert und gesagt, Sie werden sich nicht verbiegen. Am Ende war der Widerstand überschaubar. Zu laut gebrüllt?

Manfred Haimbuchner: Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube. Ich bin bekannt, dass ich offen und auch laut meine Meinung vertrete, in allen Gremien. Ich gehöre nicht zu den Staudenhockern, nach dem Motto: Wer sich zuerst bewegt , hat schon verloren. Kritisch seine Meinung zu sagen, muss auch nicht immer gleich Streit sein. Ich war bisher zu allen Parteiobleuten loyal. Loyalität hat nichts mit Verbiegen zu tun, und es heißt auch nicht, dass man immer einer Meinung sein muss.

Warum waren Sie gegen Kickl – und warum jetzt nicht mehr?

Manfred Haimbuchner: Da wird vieles fehlinterpretiert. Ich wollte eine geregelte Obmanndiskussion haben. Was ich nicht mag, ist das unterschwellige Kommunizieren, ohne offen die Meinung zu sagen. Ich halte es aus, wenn es unterschiedliche Meinungen gibt. Das gilt auch für Kickl.

Ich sage: Kickl hat Hofer weggemobbt, und die Partei hat ihn nun belohnt. Teilen Sie die Analyse?

Manfred Haimbuchner: Die Analyse muss ein Journalist so treffen. Ich sage: Norbert Hofer hat am Ende seine Stärken nicht immer ausgespielt.

Kickl hat die ÖVP als Hauptangriffsziel definiert. Sie sind in Oberösterreich in einer Koalition mit der Landes-VP. Kann man diesen Balanceakt bewältigen?

Manfred Haimbuchner: Diese Differenzierung ist wichtig. Ich würde in Oberösterreich die Akteure der ÖVP nie mit jenen in Wien vergleichen. Es ist vollkommen richtig, dass wir all diese massiven Verfehlungen in Wien nicht nur aufzeigen, sondern diese Regierung auch mit allen parlamentarischen Kräften kontrollieren müssen. Wann ist es in Österreich vorgekommen, dass der Sektionschef im Justizministerium suspendiert ist, ein VfGH-Richter zurücktreten muss, der ÖBAG-Chef zurücktritt und Verfahren gegen den Bundeskanzler und viele weitere Proponenten der ÖVP laufen? Das ist ja wohl einzigartig. Mit diesen Personen ist eine Zusammenarbeit sowieso undenkbar.

Wollen Sie nach der Wahl wieder eine Landeskoalition mit der ÖVP?

Manfred Haimbuchner: Das hat sehr gut funktioniert, auf fachlicher und persönlicher Ebene. Aber in Wahrheit muss die ÖVP diese Frage beantworten. Die ÖVP lässt sich immer alles offen und ist sehr beweglich. Mein Ziel ist es, ein türkis-grünes Experiment auf Landesebene zu verhindern.

Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) hat diese Woche gesagt, er wolle keinen Kickl-Stil im Bundesland. Wie bewerten Sie das?

Manfred Haimbuchner: Ich schätze den Herrn Landeshauptmann persönlich sehr, aber ich möchte ihm nahelegen, sich mehr Gedanken über seine türkisen Freunde in Wien zu machen. Die sind das echte Problem für diese Republik, nicht der Stil eines Politikers. Seine Freunde in Wien haben ein Problem mit der Akzeptanz des Rechtsstaats, das würde mich an seiner Stelle beunruhigen.

Sie haben mehrmals betont, die FPÖ müsse regierungsfähig bleiben. Ist sie das derzeit mit Kickl?

Manfred Haimbuchner: Da tut man Kickl in vielen Dingen unrecht. Die Frage ist vielmehr: Wollen wesentliche Teile der FPÖ überhaupt regieren oder nicht? Ich gehöre zu jenen, die sagen: Ich will regieren, weil man nur dann kontinuierlich etwas umsetzen und bewegen kann. Kickl wird da wahrscheinlich auch falsch interpretiert. Würde er nicht regieren wollen, wäre er nicht Innenminister geworden. Es gibt die Meinung, man kann in der Opposition die Regierung so lange vor sich hertreiben, bis sich was ändert. Aber irgendwann ist jeder Oppositionspolitiker draufgekommen, dass man nur in der Regierung einen Hebel hat. Das hat auch Jörg Haider gesehen.

Kickl hat nach seiner Kür zum Parteichef die rechtsextremen Identitären als „unterstützenswertes Projekt“ bezeichnet. Was sagen Sie dazu?

Manfred Haimbuchner: Die Identitären sind eine Splittergruppe, die ständig in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt wird. Das haben sie sich gar nicht verdient. Ich diskutiere über die wesentlichen Dinge in der Politik, die Identitären sind für mich nicht wesentlich.

Also sehen Sie das anders als Kickl?

Manfred Haimbuchner: Kickl hat auch gesagt, dass der Beschluss, dass ein Identitärer nicht Funktionär bei der FPÖ sein kann, aufrecht bleibt. Ich freue mich, dass Kickl das so sieht.

Haben Sie Hofer zu wenig unterstützt? Man hatte den Eindruck, man wollte Hofer als gemäßigteres Aushängeschild, war aber ganz froh, dass auf der anderen Seite Kickl den Scharfmacher gab und unter anderem Corona-Protestwähler ansprach.

Manfred Haimbuchner: Jeder Parteiobmann freut sich, wenn er die Unterstützung erfährt, die Norbert Hofer von mir bekommen hat. Ich habe ihn mit aller Kraft unterstützt – auch in einer Zeit, in der ich aufgrund meiner Erkrankung selbst noch nicht so viel Kraft hatte.

Sie haben eine schwere Covid-19-Erkrankung überstanden. Gleichzeitig ist Ihre Partei Speerspitze bei Demonstrationen von Corona-Leugnern bzw. Gegnern von Corona-Maßnahmen. Wie halten Sie das aus?

Manfred Haimbuchner: Ich bin so lang in der Politik und habe ein funktionierendes familiäres Umfeld, aus dem ich Kraft schöpfe, und vor allem habe ich viele Freunde abseits meiner politischen Gesinnung. Das führt dazu, dass man über den Tellerrand blicken kann. Ich verstehe, dass man Corona-Maßnahmen der Regierung skeptisch sehen kann. Ich verstehe aber auch jene, die Angst vor dieser Krankheit haben. Vor allem: Hut ab vor den Menschen, die über ein Jahr hinweg täglich auf den Intensivstationen gearbeitet und Enormes geleistet haben. Meine Meinung war immer, dass man dieses Virus sehr ernst nehmen muss, aber andererseits hat sich keiner mehr bei den ganzen Corona-Verordnungen ausgekannt – und wer soll etwas ernst nehmen, wenn so ein Wirrwarr entsteht?

Haben Sie nach bzw. während Ihrer Krankheit einmal an Rücktritt gedacht?

Manfred Haimbuchner: Nein. Überhaupt nicht. Aber ich habe mich gefragt, ob ich wieder so gesund werde, dass ich meine Verantwortung so wahrnehmen kann, wie sich das Bürger und Partei erwarten. Wenn das nicht so gewesen wäre, hätte ich aufgehört. Ich habe mich durchgekämpft, um wieder fit für meine Familie zu werden – und weil ich wusste, wenn ich nicht hundertprozentig fit werde, kann ich keinen Wahlkampf führen, das ist undenkbar. Das überlebt man nicht ohne Spätfolgen. Es gibt genügend Politiker, die sich so ruiniert haben.

Das Interview ist am 12. Juni in den OÖ Nachrichten erschienen.