„Ich habe nicht nur Freunde“

Die OÖ Nachrichten starten in das Wahljahr 2021 mit Interviews mit den Spitzenkandidaten. FPÖ-Landesparteiobmann, Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner stellte sich den Fragen von Redakteur Alexander Zens über die Rollenverteilung in der FPÖ, die Corona-Demonstrationen und das 20-Prozent-Ziel für die Landtagswahl. Schwarz-Grün in Oberösterreich wolle er verhindern, sagt FP-Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner im OÖNachrichten-Interview.

OÖNachrichten: Was geht Ihnen im Lockdown am meisten ab?

Manfred Haimbuchner: Persönliche soziale Kontakte etwa bei einem Neujahrsfrühschoppen. Wobei ich als Politiker nicht unbedingt von einem Bad in der Menge sprechen möchte.

Apropos Bad in der Menge: Der Politische Aschermittwoch mit mehr als 2000 Besuchern wäre in dreieinhalb Wochen in Ried. Der kann nicht stattfinden.

Er wird in digitaler Form stattfinden. Das ist ein Fixtermin für uns, den lassen wir nicht abkommen. Grundsätzlich geht es um die politischen Botschaften, nicht nur um Spektakel für das Publikum.

Haben Sie an einer der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen teilgenommen?

Ich nehme an gar keinen Demonstrationen teil. Nur in den 1980er-Jahren habe ich einmal gegen den Bau der Rinderertrasse bei der Welser Westspange demonstriert. Aber da war ich Volksschüler.

FP-Generalsekretär Michael Schnedlitz war in Wien bei einer Demo dabei. Es gehen auch rechtsradikale Gruppierungen und Staatsverweigerer mit. Verabschiedet sich die FPÖ endgültig als staatstragende Partei?

Jede staatstragende Partei tritt für eines der höchsten Güter in der Demokratie, die Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, ein. Natürlich müssen auch jene Vorschriften, die der Gesundheit der Menschen dienen, zu hundert Prozent eingehalten werden. Ich verstehe die Kritik der Behörden, wenn Masken nicht getragen und Abstände nicht eingehalten werden. Aber jeden Bürger, der gegen die Bundesregierung auftritt, in ein radikales oder verschwörungstheoretisches Eck zu stellen, halte ich für schwer bedenklich.

Darum geht es auch nicht, sondern darum, dass viele die Bühne für antidemokratische Agitation nutzen. Sollte die FPÖ da nicht Abstand halten?

Ich bin gegen jede Form antidemokratischer Tendenzen. Aber jeder in diesem Land hat das Recht, an einer genehmigten Demo teilzunehmen. Man kann nicht verhindern, dass sich Bürger mit eigenartigen Ansichten unter Demonstranten mischen. Gott sei Dank ist es in einer Demokratie möglich, abstruse Meinungen kundzutun. Westliche Demokratien sind stark genug, das auszuhalten.

Sie haben der Bundesregierung bei den Corona-Maßnahmen ein „autoritäres Versuchslabor“ vorgeworfen. Bei allen Fehlern, die auch passiert sind: Glauben Sie wirklich, dass Kurz, Kogler, Anschober und Nehammer Demokratie und Grundrechte langfristig aushöhlen wollen?

Manche Maßnahmen haben die Grundrechte nicht nur eingeschränkt, sie waren auch unzulässig, wie Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs gezeigt haben. Ich erinnere auch an die Aussage des Kanzlers, dass gewisse Gesetze und Verordnungen ohnehin nicht mehr gelten werden, wenn der VfGH darüber entscheidet. Das muss jedem Politiker und jedem Juristen aufstoßen.

Sind für Sie Impfungen auch der Weg aus der Corona-Pandemie?

Sie sind ein ganz wesentlicher Beitrag. Impfungen waren in den vergangenen Jahrzehnten eine Wohltat für die Volksgesundheit. Meine Familie ist gegen alle Krankheiten geimpft, bei denen das empfohlen wird. Die Diskussion ist nicht, ob die Freiheitlichen das Impfen kritisch sehen. Wir sind keine Impfgegner, aber jeder soll höchstpersönlich entscheiden. Man muss die Bürger aufklären. Die Impfkampagnen der Regierung sind ein Lockvogelangebot. Denn es kann sich gar nicht jeder impfen lassen, der will, weil der Impfstoff nicht da ist. Das ist Missmanagement und muss man sich auf allen Ebenen anschauen.

Joe Biden statt Donald Trump als US-Präsident – viele in Europa atmen auf, Sie auch?

Ich werde Biden an seinen Taten messen – ob die Welt friedlicher wird und es wirtschaftlichen Aufschwung gibt.

Wie beurteilen Sie den Sturm auf das Kapitol?

Zwei Punkte machen mich nachdenklich: dass es zu dem Ansinnen kommen kann, eine demokratische Institution zu besetzen, und dass die Demokratie schlechthin mit 700 Milliarden Dollar Verteidigungsbudget nicht in der Lage ist, diese zu schützen.

In Österreich gab es in digitalen Netzwerken auch den Aufruf, das Parlament zu stürmen.

Jede Form der radikalen Agitation lehne ich ab. Ich habe das auch schon am eigenen Leib verspürt, als etwa Linksextremisten versuchten, meinen Dienstwagen zu stürmen.

Aber gerade einige FP-Vertreter, vor allem Klubchef Herbert Kickl, heizen mit ihrer Diktion doch die Stimmung auch an.

Jeder Politiker hat das Ziel, das Beste für sein Land zu tun. Es gibt unterschiedliche Persönlichkeiten und Rollen in der Partei. Die FPÖ in Opposition ist kein Kuscheltier. Nicht jede Äußerung in der Hitze des Gefechts muss man für bare Münze nehmen.

Die Linie von Norbert Hofer oder jene von Kickl – oder letztlich doch Haimbuchner als neuer Bundesparteichef. Wollen Sie vor der Landtagswahl im Herbst diese Debatten klein halten?

Debatten in der Partei wird es immer geben. Entscheidend ist meine Vorstellung für die Zukunft Österreichs – neben Freiheit sind das Heimat, Leistung, Sicherheit. Ich will regieren und gestalten, und ich bleibe in Oberösterreich.

2015 erreichten Sie 30,4 Prozent. Die FPÖ ist aber im Abwärtssog. Was ist Ihr Ziel?

Wieder zweitstärkste Kraft zu werden und rund 20 Prozent zu erreichen. Ich bin sehr guter Dinge, dass wir das schaffen. Ich bekenne mich dazu, die Zusammenarbeit mit der ÖVP im Land fortzusetzen. Wir haben viel zusammengebracht, das wird von den Bürgern anerkannt. Wir wollen Schwarz-Grün auf Landesebene verhindern und eine rechtskonservative Alternative sein, denn links der Mitte tummeln sich ohnehin alle anderen Parteien. Dass sich Mitbewerber ein Ende der letzten FPÖ-Koalitionsbeteiligung in Österreich wünschen, ist klar.

Sie haben die Gruppe geleitet, die nach Ibiza- und Spesenaffäre strenge Verhaltensregeln in der FPÖ einführt. Wann ist es jetzt so weit? Sie haben gerade bei diesem Thema parteiintern auch einge Gegner, richtig?

Ich habe nicht nur Freunde. Es ist logisch, dass bei so einem umfassenden Regelwerk, das es in keiner Partei sonst gibt, Bedenken geäußert werden. Die Regeln sind fertig. Wir werden sie bei einer Klausur Ende Jänner besprechen und können sie beim nächsten Bundesparteivorstand beschließen.

Das Interview erschien in der Print-Ausgabe der OÖ Nachrichten am 23. Jänner 2021.