Manfred Haimbuchner im KRONE-Sommerinterview

Parteichefs reden gerne. Aber was passiert, wenn plötzlich ganz normale Leute das Sagen haben? In dieser Serie stellen vier Oberösterreicher den vier führenden Spitzenpolitikern des Landes die Fragen.

Die „OÖ-Krone“ lädt zum direkten Dialog auf Augenhöhe: Vier Bürger – ein Schüler, ein Schichtarbeiter, eine alleinerziehende Mutter und eine Pensionistin–konfrontieren die vier wichtigsten Landespolitiker mit ihren persönlichen Anliegen. Mit dabei: Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), LH-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ), SPÖ-Landeschef Martin Winkler und Landesrat Stefan Kaineder (Grüne). Die Fragen kamen direkt von den Bürgern – offen, kritisch, persönlich. Die Politiker mussten zuhören. Und antworten. Im heutigen Teil der Serie trafen unsere Oberösterreicher auf Landeshauptmann- Stellvertreter und FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner.

Roland Hiesl: Der 46-Jährige kommt aus Linz, ist Schichtler im Steel & Service Center der Voestalpine. Er hat fünf Kinder

HAIMBUCHNER ÜBER VOEST „Wennst nix kannst, mach’ eine Lehre“

Roland Hiesl: Wie ist Ihr Standpunkt zu Schichtarbeitern, zur Voest, und warum wird die Arbeit solcher Menschen nicht dementsprechend honoriert?

Mein Standpunkt zur Voest ist ein ausgesprochen positiver und emotionaler, weil meine Frau dort beschäftigt ist (lacht). Ich weiß, wie wichtig dieses Unternehmen für uns ist. Aber ein Unternehmen besteht in erster Linie aus Menschen, die Leistung bringen oder innovativ sind – so wie etwa in der Schichtarbeit. Das wissen auch all jene, die studiert haben und sich rühmen, in den Ferien ein paar Wochen geschichtelt zu haben. Doch es gibt viele, die das ein ganzes Leben lang machen. Das ist Schwerstarbeit, die kann man nicht bis zu einem gesetzlichen Pensionsalter machen. Honorieren heißt, dass man für seine Leistung ordentlich bezahlt wird, dass einen der Staat nicht schröpft. Wenn man mehr Leistung bringt, greifen der Staat und die Sozialversicherungsträger mehr zu. Bei den Gehaltserhöhungen ist der größte Profiteur nicht der Einzelne, sondern der Staat. Und mit honorieren meine ich auch, dass diese Menschen einen Arzttermin, dass die Kinder eine ordentliche Bildung bekommen und dass sie sich in diesem Land sicher fühlen. Das, was unter dem Titel der Energiewende und des Klimaschutzes läuft, ist etwas, was die Voest besonders betrifft. Und die Frage ist, ob das jemand am internationalen Markt bezahlen wird. Da sehe ich große Kritikpunkte an dem, wie die Transformation der Wirtschaft abläuft.

Inwieweit würden Sie neue Reformen auf den Weg bringen und die Schichtarbeit wieder attraktiver machen?

In Österreich ist es so: Je mehr man arbeitet, desto weniger bekommt man Stundenlohn – nämlich netto – heraus. Das muss man ändern. Und nur, wenn körperliche Arbeit wertgeschätzt wird, wird das auch positiv ankommen. Also mehr Netto vom Brutto. Sprich: die Entlastung der Einkommen. Und das wird nur über das Steuersystem gehen. Es hat mal den Satz gegeben: „Wennst nix kannst, dann musst du eine Lehre machen.“ Das ist einer der allerdümmsten Sätze, die es jemals gegeben hat. Aber diese Sätze gibt es leider noch immer. Wir brauchen diese Arbeit, die wird es auch trotz KI und Digitalisierung geben.

„Krone“-Redakteur Robert Loy stellte stellvertretend für die alleinerziehende Mutter Alexandra Engler Fragen an LH-Stellvertreter Haimbuchner.

Alexandra Engler: Die  Mutter (41) zweier Töchter ist alleinerziehend, arbeitet als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester in Vöcklabruck.

HAIMBUCHNER ÜBER RUF DER POLITIK: „Man soll sehen, was mich bewegt“

Alexandra Engler: Wie wollen Sie sicherstellen, dass Zuwanderung fair gestaltet wird und Integration, Eigenverantwortung sowie Mitwirken in der Gesellschaft funktionieren?

Wir müssen das Sozialsystem so gestalten, dass es keine Einwanderung in den Sozialstaat gibt. Genau hier entstehen Ungerechtigkeiten. Der Sozialstaat funktioniert nur im Rahmen eines Nationalstaates–das haben auch Wissenschafter klar dargelegt. Wenn wir weiterhin eine ungeregelte Einwanderung zulassen, werden unsere Systeme überlastet – nicht nur im Sozialbereich, sondern auch im Gesundheitswesen, in der Bildung und bei der öffentlichen Sicherheit. Für Zuwanderer braucht es daher strengere und klarere Regeln. Menschen ohne Aufenthaltsanspruch müssen konsequent außer Landes gebracht werden. Noch besser ist, wenn solche Personen erst gar nicht einreisen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass unser Sozialstaat leistungsfähig bleibt und jene schützt, die ihn wirklich brauchen.

Das Vertrauen vieler Menschen in die Politik ist gesunken – sei es durch Skandale, gebrochene Wahlversprechen oder Intransparenz bei Entscheidungen. Welche Maßnahmen setzen Sie, um dieses Vertrauen wieder aufzubauen?

Das Wichtigste ist, authentisch zu sein. Das beginnt zum Beispiel bei inszenierten Bildern, die nicht der Realität entsprechen. Vor allem aber heißt es, Dinge offen anzusprechen, so wie man sie denkt, und nicht um den heißen Brei herumzureden, egal bei welchem Thema – ob bei Migration, Leistung, Gesundheit oder Familie. Ich stehe zu meinem Familienbild – Mutter, Vater, Kinder. Wenn andere ein anderes Modell leben wollen, ist das in Ordnung. Aber viele Politiker verändern sich, sobald sie im Amt sind: Sie sprechen nur noch in Schönformeln und sagen nicht mehr, was sie wirklich denken. Das wirkt unglaubwürdig – nach dem Motto „Wasser predigen und Wein trinken“. Ein weiteres Problem ist dieses aalglatte Auftreten, als sei man unfehlbar. Die Menschen wollen sehen, was einen bewegt, und spüren, wenn einen etwas ärgert.

Die Redakteure Vera Lischka und Robert Loy  trafen Haimbuchner zum Gespräch und überbrachten die Fragen.

Michael Kim: Der 15-Jährige besucht ab September die sechste Klasse des BRG Enns. Er ist talentierter Pianist und sehr interessiert an Politik.

HAIMBUCHNER ÜBER DIE WINDKRAFT: „Strompreis um 100 Prozent gestiegen“

Michael Kim: Viele Jugendliche wünschen sich eine bessere Stadtentwicklung. Was halten Sie von der Überlegung, eine Seilbahn in Linz zu bauen?

Also eine Seilbahn in Linz würde nicht funktionieren, das ist reine Utopie. Wir denken pragmatisch, deshalb bauen wir den öffentlichen Verkehr aus. Das ist der beste Schutz für den Umweltschutz. Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen oder mit Öffis reduzieren. Die Stadtbahn Linz ist ein gutes Beispiel dafür und da hoffen wir, dass uns diese Klimaschutzregierung in Wien ordentlich mitfinanziert. Aber die machen eher das Gegenteil, nämlich Regionalbahnen zusperren.

Warum wird in manchen Regionen im ländlichen Bereich so wenig in Bus und Bahn investiert?

Es ist so viel gemacht worden in den vergangenen Jahren wie noch nie. Aber man hätte in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren kontinuierlich investieren müssen–so wie man es in der Schweiz mit dem Bahnnetz gemacht hat. Man wird weder in zehn noch in 20 Jahren das, was in der Vergangenheit fehlgeleitet wurde, aufholen können. Aber meine Vorstellung wären autonome Busse im ländlichen Raum.

In Niederösterreich gibt es viel mehr Windräder als in Oberösterreich. Wie kann OÖ klimaneutral werden, wenn Windenergie nicht ausreichend genutzt wird?

Hier sieht man die Propaganda, die gemacht wird: Man wird mit Windkraft nie klimaneutral werden. Wir haben einen Gesamtenergieverbrauch in Österreich von 420 Terawattstunden, aktuell etwas weniger. Derzeit sind es etwa 380 bis 390 Terawattstunden. Das heißt, dass wir zigtausende Windkrafträder, die Tag und Nacht laufen, brauchen würden. Das Windkraftpotenzial liegt bei sechs Terawattstunden – damit ist eigentlich alles erklärt. Es kann also nur als Teil des Gesamtpakets gesehen werden. Ich habe ein Problem mit dieser Utopie, dass man die jungen Menschen so indoktriniert und ihnen nicht die Wahrheit sagt. Das Problem ist auch, dass diese Energie oft eine sehr teure ist. Seit dem Ausbau der erneuerbaren Energieträger ist der Strompreis um mehr als 100 Prozent gestiegen. Deswegen bitte zur Vernunft zurückkehren. Wer glaubt, dass wir die Wirtschaft mit Windenergie betreiben können, verarscht die Menschen.

Gertrude Maier: Die Steyrerin hat zwei Söhne und ist Großmutter von fünf Enkerln. Die 69-Jährige war bei pro mente in leitender Position.

HAIMBUCHNER ÜBER DIE GESUNDHEIT: „Ärzte leiden unter großer Bürokratie“

Gertrude Maier: Ältere Menschen sind besonders auf eine funktionierende Gesundheitsversorgung angewiesen. Derzeit sind Termine schwer oder gar nicht zu bekommen, die Wartezeiten lang. Was muss sich ändern?

Verantwortlich ist die Österreichische Gesundheitskasse. Der niedergelassene Bereich wurde jahrzehntelang ausgehungert, flexible Modelle – etwa, dass Ärzte andere Ärzte anstellen – fehlen. Wir setzen auf den Ausbau von Primärversorgungseinrichtungen und die Stärkung des niedergelassenen Bereichs, um Krankenhäuser zu entlasten. Weniger Bürokratie für Ärzte ist ebenfalls wichtig, damit mehr Zeit für Patientinnen und Patienten bleibt. Zudem müssen vorhandene Geräte besser genutzt werden. Ein weiteres Thema ist der Ärztemangel: Viele gehen bald in Pension, Studienplätze sind knapp und die Zugangsbeschränkungen für österreichische Studierende zu streng. Wir brauchen mehr Studienplätze und sollten Absolventen verpflichten, in Österreich zu arbeiten. Ohne solche Maßnahmen wird sich die Situation verschlechtern.

Gerade ältere Menschen haben besondere Bedürfnisse: Freiheit, gute Infrastruktur und soziale Einbindung sind wichtig. Doch solche Wohnmöglichkeiten sind schwer zu bekommen oder nicht leistbar. Was unternehmen Sie als zuständiger Landespolitiker, damit die ältere Generation Zugang zu altersgerechten, barrierefreien und leistbaren Wohnmöglichkeiten hat?

Wir zahlen im Wohnbereich sehr hohe Sätze. Ich habe Reformen umgesetzt, etwa die Einführung von Deutschkenntnissen als Voraussetzung für die Wohnbeihilfe – das hat zig Millionen Euro eingespart, die wir nun in solche Wohnformen investieren. Die Finanzierung erfolgt über direkte Darlehen, ohne neue Schulden. Zur Betreuung der älteren Generation in Oberösterreich kann ich sagen: Diese muss grundsätzlich finanziert werden, aber es gibt Unterstützung – etwa über das Pflegegeld. Oft nehmen Menschen schon sehr früh Kontakt auf, obwohl sie die Betreuung noch gar nicht benötigen. Wenn es aber einen konkreten Bedarf gibt, können sich Betroffene oder Angehörige direkt an mich wenden. Besonders schwierig ist die Versorgung älterer Menschen mit Demenz – das ist eine der größten Herausforderungen, für die wir gute Lösungen finden müssen.

Das Interview leiteten die Redakteure Vera Lischka und Robert Loy, der Artikel ist in der Printausgabe der KRONE OÖ am 17. August 2025 erschienen