Manfred Haimuchner in der „PRESSE“: Bei Frauen haben wir Aufholbedarf

In einem Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“ nahm am Sonntag, 15. Dezember FPÖ-Landesparteiobmann, Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner ausführlich Stellung. Das Interview führte Julia Neuhauser.  

Bei Frauen haben wir Aufholbedarf

Die Probleme an der Parteispitze waren schon länger offensichtlich, sagt Oberösterreichs FPÖ-Chef, Manfred Haimbuchner. Die FPÖ solle sich breiter aufstellen, und sie sei sich ihrer Staatsräson bewusst.

„Schräger geht es nimmer“, sagte Klubobmann Herbert Kickl zuletzt über die Vorfälle rund um Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache. Offenbar tut es das aber doch. Nun gibt es die erste Abspaltung und einen Parteiausschluss. Wann enden die blauen Turbulenzen endlich?

Manfred Haimbuchner: Die FPÖ verfügt über sehr gute Selbstheilungskräfte. Das haben wir über Jahrzehnte hinweg bewiesen. Jetzt geht es nicht mehr um den Entzündungsherd,der die FPÖ gequält hat, sondern um die Abtragung des betroffenen Gewebes rund um den Entzündungsherd, damit keine Amputation notwendig ist. Für mich ist damit der erste große Schritt für eine Selbstheilung gesetzt.

Wie groß ist dieser Entzündungsherd?

Manfred Haimbuchner: Der ist nicht mehr groß, der ist schon eingegrenzt und wird uns in der Zukunft nicht mehr belasten.

Könnte die Entzündung auch in andere Bundesländer ausstrahlen?

Manfred Haimbuchner: Nein. Die Stimmung in den Bundesländern ist besser,als man glaubt.

Knittelfeld ist also weit von Wien entfernt?

Manfred Haimbuchner: Es wird weder ein zweites Knittelfeld geben noch irgendeinen anderen Ort, der in die Geschichte eingeht. Ganz im Gegenteil. Die Krankheiten, an denen wir in den vergangenen Jahren gelitten haben, werden wir ausmerzen, wir werden uns jetzt strukturell besser aufstellen, und damit können wir auch wieder auf die Erfolgsschiene zurückkehren.

An welchen Krankheiten leidet denn die Partei schon länger?

Manfred Haimbuchner: Der Erfolg in den vergangenen Jahren hat das eine oder andere zugedeckt. Wir haben die Probleme lokalisiert und arbeiten sie nun strukturell ab .Die Selbstbeschäftigung wird nicht mehr lang dauern. Vielleicht werden sich andere länger mit der Justiz beschäftigen müssen. Aber das hat nichts mehr mit der neuen FPÖ zu tun.

Die FPÖ arbeitet an ihrer Neuaufstellung. Sie leiten die Arbeitsgruppe Compliance und sollen nach Ibiza-Skandal und Spendenaffäre neue Verhaltensregeln aufstellen. Was wird sich hier ändern?

Manfred Haimbuchner: Sie können davon ausgehen, dass es mit mir ein so strenges Compliance Regelwerk und ein internes Kontrollsystem gibt, dass es jedem Vergleich standhält. Ich werde mich sicherlich nicht aufein Glatteis begeben, wie das bei der Historikerkommission der Fall war. Das wird es mit mir nicht geben.

Sie kritisieren also, wie die FPÖ mit der geschichtlichen Aufarbeitung durch die Historikerkommission umgegangen ist?

Manfred Haimbuchner: Ich habe nur den Sachverhalt geschildert.

Sie sagten zuletzt,dass der Anstand und die Bodenständigkeit in der Partei enorm gelitten haben. Zielte das nur auf Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, oder haben Sie da auch an andere gedacht?

Manfred Haimbuchner: Wie heißt es so schön,der Fisch fängt immer am Kopf zu stinken an,und das, was jetzt hervorkommt,hat in den vergangenen Jahren offensichtlich vom Himmel gestunken.

Hat das niemand in der Partei gerochen?

Manfred Haimbuchner: Es hat Kritik von unterschiedlicher Seite gegeben,was das Auftreten des einen oder anderen betraf, aber es gibt keine 24-Stunden-Beobachtung von Spitzenfunktionären. Das braucht es auch nicht. Wir werden ein Compliance-Regelwerk machen, das keine einzige andere Kraft in der Politik hat.

Parallel beschäftigt sich eine von Andreas Rabl, dem Welser Bürgermeister, geleitete Arbeitsgruppe mit der Modernisierung der Partei. Was muss sich denn ändern?

Manfred Haimbuchner: Die Themen, auf die die FPÖ in den vergangenen Jahren gesetzt hat, waren die richtigen. Aber es wäre wünschenswert, dass sich die Partei breiter aufstellt –thematisch und gesellschaftlich.

Zuletzt haben Sie angedeutet, künftig nicht mehr allein die Arbeiter stark ansprechen zu wollen, sondern auch die Akademiker.

Manfred Haimbuchner: Da geht es nicht nur um Akademiker, sondern etwa auch um Landwirte, öffentlich Bedienstete und vor allem um Frauen. Da haben wir Aufholbedarf. Um die Breite der Gesellschaft anzusprechen, müssen wir auch der Breite der Gesellschaft gerecht werden.

Und zwar wie?

Manfred Haimbuchner: In der Öffentlichkeit werden wir weiterhin die Sicherheit als wichtigstes Thema propagieren. Aber Leistung und Familie sind zwei Themen, die wir noch intensiver beackern können. Innerparteilich spielt etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schon lang eine Rolle. Das müssen wir noch nach außen tragen. Das ist etwas,was vor allem die Frauen betrifft, und das sollten wir in unserer öffentlichen Kommunikation schwerpunktmäßig darstellen.

Herbert Kickl steht für die FPÖ als soziale Heimatpartei. Sie versuchen, die FPÖ in Oberösterreich mehr  als liberale Wirtschaftspartei zu positionieren. Würden Sie sich hier auch ein Umlenken der Bundespartei wünschen?

Manfred Haimbuchner: Ich erteile keine Ratschläge. Aber die FPÖ in Oberösterreich wird als rechtsliberal-konservative Partei geführt. Für uns ist der Standort wichtig.Ohne die wirtschaftliche Prosperität können wir den Sozialstaat nicht sicherstellen. Das muss jedem bewusst sein. Wir machen hier keinen Klassenkampf. Der Zusammenhalt zwischen Unternehmertum und Arbeiterschaft ist hier groß. Die auseinander zu dividieren hat schon zum Totalabsturz der SPÖ geführt. Die soziale Komponente ist zwar enorm wichtig. Aber soziale Sicherheit ohne Leistungsbereitschaft ist nicht denkbar.

Einer Meinung mit Herbert Kickl sind Sie offenbar bei der Sinnhaftigkeit des Kooperationsvertrags mit der Kreml-Partei Einiges Russland. Sie beide halten den für überflüssig. Parteichef Norbert Hofer war damals allerdings sogar bei der Unterzeichnung dabei. Wie soll das nun weitergehen?

Manfred Haimbuchner: Ich habe das immer kritisiert und bin froh,wenn das nun andere auch so sehen. Dass man sich mit den unterschiedlichsten Parteien weltweit austauscht,gehört dazu, aber das Interesse muss immer zum Wohle der Republik Österreich sein. Und die Frage ist, ob es gut ist,mit anderen Mächten Vereinbarungen zu treffen,abseits dessen, was auf bilateraler Ebene zwischen einzelnen Regierungen passiert.

Es sollte Ihrer Meinung nach also gar keine solchen Verträge mit Parteien geben? Egal, aus welchen Ländern?

Manfred Haimbuchner: Ich würde das grundsätzlich ausschließen. Was ich aber nicht ausschließen will, ist, dass man mit Vertretern anderer Staaten und Parteien Gespräche führt. Man muss deswegen keine Abkommen abschließen. Denn man weiß unter Umständen gar nicht,was man sich damit einkauft.

Österreich wird in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich eine türkis-grüne Koalition führen. Die FPÖ kann also weiter mit sich selbst beschäftigt sein und dann, vor der nächsten Wahl,als Gegenpol zur Regierung punkten. Wäre Türkis-Grün so gesehen nicht ein Glücksfall für die FPÖ?

Manfred Haimbuchner: Ich bin, was eine derartige Regierung anbelangt,weder begeistert, noch sehe ich sie als strategischen Vorteil für die FPÖ. Es kann nicht unser Ziel sein, dass kindliche grüne Ideen eine vernünftige schwarz-blaue Arbeit ablösen.

Einen strategischen Vorteil wird es aber wohl schon geben.

Manfred Haimbuchner: Natürlich muss der Bundeskanzler außer Dienst bzw. in spe, Sebastian Kurz, seinen Wählern einmal erklären, wieso er einen Weg Mitte rechts verlässt,um ein anfänglich hippes Modell, das jetzt schon Staub ansetzt,umzusetzen. Das muss nicht die FPÖ erklären.

Noch können die türkis-grünen Koalitionsverhandlungen scheitern. Sollten die Freiheitlichen in diesem Fall als Partner  zur Verfügung stehen?

Manfred Haimbuchner: Dann liegt der Ball wieder bei Sebastian Kurz. Er ist Obmann der stärksten Partei und wurde mit der Regierungsbildung beauftragt. Die FPÖ wird dann die Lage neu beurteilen. Sie ist sich ihrer Staatsräson sicherlich bewusst.

Das klingt schon ein bisschen anders als nach der Wahl, als eine Koalitionsbeteiligung kategorisch ausgeschlossen wurde.

Manfred Haimbuchner: Ich halte die Entscheidung, nach der Wahl zu sagen, man geht in Opposition, für absolut richtig. Wenn man zehn Prozentpunkte verliert, kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Aber wie gesagt: Wir werden die Situation dann neu beurteilen,wenn es soweit ist.

Quelle: DIE PRESSE, 15. Dezember 2019