Naturschutz im Spannungsfeld zwischen EU-Gesetzgebung und Praxis

Die Bundesverfassung überlässt den Ländern die Zuständigkeit für den Naturschutz, da die landschaftlichen Unterschiede zwischen den Bundesländern erheblich sind. Die EU hingegen setzt einheitliche Normen, die regionalen Unterschieden wenig Rechnung tragen.  Das nördliche Deutschland oder die Niederlande sollten naturschutzrechtlich nicht gleich wie unser alpines Österreich oder das südliche Italien geregelt werden. Wenn auf nationaler Ebene die Notwendigkeit einer Differenzierung erkannt wird, sollte dies der EU umso mehr bewusst sein.  Oberösterreichs Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner und seine Kollegin aus Salzburg, Landeshauptmann-Stv. Marlene Svazek, betonen die Notwendigkeit einer differenzierten Herangehensweise auf nationaler und EU-Ebene, um das Vertrauen der Bürger in die EU nicht weiter zu schädigen.

„Als Politiker, aber auch als Bürger eines Mitgliedstaates, hoffe ich, dass man in Brüssel wieder zurück zu einer vertretbaren und vernünftigen europäischen Politik findet. Eine Europäische Gesetzgebung kann nur dann eine Zukunft haben, wenn sie die regionalen und nationalen Themenbereiche auch denen überlässt, die in der betroffenen Region oder der betroffenen Nation leben, alles andere wäre zum Scheitern verurteilt. Das Vertrauen der Bürger in die EU ist schon geschädigt, durch sich widersprechenden Richtlinien wird man diese Entwicklung nicht aufhalten,“ so Dr. Manfred Haimbuchner in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Svazek in Linz. „Wir leben in einer Kulturlandschaft, die erst durch Landwirte gestaltet wurde, die wiederum auf die Natur achten müssen – weil sie schließlich davon leben“, erachtet die Naturschutzlandesrätin des Landes Salzburg das gemeinsame Ziel des Erhalts der Lebensgrundlage von Land- und Forstwirten als selbstverständlich. „Was es nicht brauche, sind übergestülpte Verordnungen „made in Brüssel“ und Einschränkungen, die letztendlich nur eines bewirken, dass sie der Kulturlandschaft schaden. Es brauche EU-umfassend weitaus mehr Subsidiarität und Naturschutz mit Augenmaß“, so Svazek.

Biber-Rückkehr ist Erfolg des Artenschutzes – Schutzstatus überprüfen bzw. anpassen

Vor mehr als 30 Jahren war der Biber (Castor fiber) in Oberösterreich mit nur 35 Tieren faktisch vom Aussterben bedroht. Durch strenge Schutzmaßnahmen und EU-rechtliche Vorgaben hat sich die Population jedoch erheblich erholt, von geschätzten 600-650 Tieren im Jahr 2013 auf etwa 2200 Tiere im Jahr 2023. Dieses beeindruckende Wachstum bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich, darunter Konflikte mit Grundbesitzern und unter den Bibern selbst aufgrund begrenzter Lebensräume. Es ist nun an der Zeit, den Schutzstatus des Bibers zu überprüfen und möglicherweise anzupassen, um eine nachhaltige Koexistenz zu ermöglichen und die Akzeptanz der Bevölkerung zu fördern. Die aktuelle EU-Regulierung erschwert jedoch eine flexible lokale Anpassung. Die Überprüfung und Anpassung der Schutzintensität gemäß den Anforderungen der FFH-Richtlinie ist entscheidend, um effektiven Naturschutz zu gewährleisten. Diese Anpassungen könnten die EU-Vorgaben flexibler gestalten und sicherstellen, dass strenger Schutz dort gewährt wird, wo er benötigt wird, während andererseits Maßnahmen zur Konfliktvermeidung und Entlastung von Überpopulationen ermöglicht werden können. Dieses Prinzip könnte auch auf ähnliche Situationen mit anderen geschützten Arten, wie Wolf und Fischotter, angewendet werden.

Die Rückkehr des Bibers in Oberösterreich sei, so Haimbuchner,  „ein Erfolg des Artenschutzes. Allerdings führt das rapide Wachstum der Biberpopulation zu Konflikten mit Grundbesitzern.“ Der Schutzstatus des Bibers in Oberösterreich sollte überprüft und angepasst werden, um regionale Entnahmen zu ermöglichen. Die starren EU-Vorgaben, insbesondere Anhang IV der FFH-Richtlinie, erschweren eine flexible Regulation auf Landesebene erheblich.

Die EU-Wiederherstellungsverordnung – Herausforderungen für den Naturschutz in Österreich

Die EU-Wiederherstellungsverordnung strebt die Wiederherstellung von Ökosystemen an und wird voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Naturschutzagenden der Bundesländer haben. Kernziele sind die Wiederherstellung von 20 % der EU-Land- und Meeresgebiete bis 2030 und aller bedürftigen Ökosysteme bis 2050. Dies umfasst spezifische Ziele für verschiedene Ökosysteme wie Landwirtschaft, Wälder, Städte und Flüsse. Die Verordnung wirft jedoch Fragen zur Umsetzbarkeit und möglichen Eingriffen in das Privateigentum auf, was zu Bedenken und Forderungen nach einer Rückkehr zum Subsidiaritätsprinzip führt“, so  Landeshauptmann-Stv. Marlene Svazek gemeinsam mit Dr. Haimbuchner zur bevorstehenden Wiederherstellungsverordnung.