OÖ-Nachrichten-Interview: „Schuss ins Knie“: Haimbuchner gegen Russland-Sanktionen

FPÖ-Landesparteiobmann, Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner gab vor dem Landesparteitag den Oberösterreichischen Nachrichten ein ausführliches Interview. Im Gespräch mit Wolfgang Braun und Markus Staudinger sprach der FPÖ-Landesparteiobmann über Corona, Kampfgeist, Russland, das Verhältnis der FPÖ zu Putin und „politische Laiendarsteller im Slim-Fit-Anzug“.

Auf den Tag genau vor einem Jahr ist LH-Stv. Manfred Haimbuchner nach einer lebensbedrohenden Corona-Erkrankung aus dem Spital entlassen werden. Am Samstag stellt er sich in Linz der Wiederwahl zum FP-Landeschef. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

OÖNachrichten: 2010 wurden Sie erstmals zum FP-Landeschef gewählt. Wie gut erinnern Sie sich noch daran?

Manfred Haimbuchner: Gut, 2010 war ein wunderschöner Parteitag, weil man gespürt hat, dass wir wieder in eine stabile Phase kommen. Aber ich kann mich fast noch besser daran erinnern, als ich 2005 erstmals zum Bezirksparteiobmann von Wels-Land gewählt wurde. Das war der Beginn einer Laufbahn, die ich so nicht geplant habe.

Sie sind erst 43 Jahre alt und schon zwölf Jahre Parteichef – Sie könnten das locker noch 20 Jahre machen. Ist das der Plan?

Die Zeit geht schneller vorbei, als man glaubt. Ich darf eine Funktion ausüben, die mir sehr viel Spaß macht. Das ist ein großer Teil meines Lebens, und ich habe nicht vor, das zu ändern.

Keine Lust, einmal etwas anderes zu machen?

Ich habe eine feste Überzeugung, wie unsere Partei zu positionieren ist und wie man als rechte Kraft gestalten sollte. Aber man kann nicht wissen, was man in zehn, zwanzig Jahren macht, ob man gesund bleibt zum Beispiel. Diese Erfahrung habe ich im Vorjahr eindringlich gemacht. Ich weiß, wie man kämpft. Das habe ich gelernt. Und meine Kampfeslust ist mindestens so hoch wie vor 20 Jahren. Ich bin ein Rechtsliberaler, klar rechts der Mitte positioniert. Die FPÖ soll ein Sammelbecken für die demokratische Rechte sein.

Bundesparteiobmann ist kein Thema?
Nein.

Waren die Verluste bei der Landtagswahl 2021 ein herber Rückschlag oder einfach die Rückkehr in die Realität nach dem historisch besten Ergebnis 2015 mit damals 30 Prozent?

Die 30 Prozent waren sicher der Ausreißer. Das Ergebnis 2021 – 19,8 Prozent – ist eines, mit dem man leben kann. Dass wir im Industriebundesland Oberösterreich in einem für uns nicht sehr sonnigen politischen Klima Zweiter geblieben sind, da ist uns schon etwas gelungen. Im Erfolg himmelhochjauchzend, im Misserfolg zu Tode betrübt – mir war immer bewusst, dass die FPÖ von diesen manisch-depressiven Wellen wegkommen muss.

Macht die MFG die Positionierung für die FPÖ schwerer?

Nein. Das ist ein neuer politischer Mitbewerber, da ist sehr viel Euphorie dabei. Diese Euphorie kenne ich. Aber das ist wie in einer Ehe: Vom Hochzeitstag allein kann man nicht leben.

Der schrille Anti-Corona-Kurs der Bundes-FP unter Herbert Kickl hat viele bürgerliche FP-Sympathisanten abgeschreckt.

Corona hat in allen Parteien und gesellschaftlichen Schichten zu Verwerfungen geführt. Da gehen die Risse quer durch Familien.

Aber es geht um falsche Aussagen, wie jene von FP-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch, die behauptet hat, die Spitäler seien überfüllt wegen Patienten mit Impfschäden.

Ja, das hat einfach nicht gestimmt. Da sind die Pferde mit ihr durchgegangen, das ist auch klargestellt worden. Aber der Stil der Bundesregierung war auch völlig überzeichnet: „Jeder wird jemanden kennen, der an Corona gestorben ist“ oder „Für Geimpfte ist die Pandemie vorbei“. Ich finde, da ist man sich nichts schuldig geblieben. Herr Kurz ist gestylt bei der Pressekonferenz gestanden wie der ideale Schwiegersohn, aber was er gesagt hat, war Blödsinn.

Sie haben sich zu Herbert Kickl bisweilen differenziert geäußert. Wie ist das Verhältnis heute?

Wie immer. Ich kenne Herbert Kickl seit ewigen Zeiten. Wir sind uns beide bewusst, dass der Feind der Freiheitlichen Partei nicht im Schatten des eigenen Hauses sitzt.

Wer ist dieser Feind?

Der größte Feind unserer Prosperität und unseres Friedens sind politische Laiendarsteller auf Bundesebene: die Slim-Fit-Typen und die linken Utopisten wie Frau Gewessler, die während der größten politisch hervorgerufenen Energiekrise abgetaucht ist. Politisch hervorgerufen deshalb, weil ja genug Gas und Öl am Markt. Die Krise wird erzeugt mit Ängsten und Sanktionen. Wir schießen uns mit den Sanktionen ins Knie – und wenn jetzt auch noch ein Erdgas-Embargo kommen würde, wäre das der Schuss in den Kopf.

Wie soll der Westen sonst auf den Angriffskrieg Putins reagieren – wenn nicht mit Sanktionen?

Da halte ich es mit Oskar Lafontaine: Ohne Verhandlungen mit Russland wird es keine Lösung geben. Der Krieg ist furchtbar, das Leid mitten in Europa unfassbar – aber die Sanktionen werden Putin nicht in die Knie zwingen. Wenn Sanktionen dafür das geeignete Mittel wären, würde es in Kuba keinen Kommunismus mehr geben, dann würde es Nordkorea nicht mehr geben und die Mullahs im Iran hätten längst abgedankt. Auf Dauer muss man die Zivilgesellschaft in Russland stärken. Das werden die Sanktionen nicht bewirken.

Die FPÖ war in den vergangenen Jahren auf der Seite Putins – inklusive Partnerschaftsvertrag zu dessen Partei. War das ein Fehler?

Ja, das habe ich immer so gesehen – ich war da nie dabei. Auch Herbert Kickl war davon nie begeistert. Das war eine Wichtigtuerei des damaligen Bundesparteiobmanns (Heinz-Christian Strache, Anm.). Die erste Ebene hat uns in Moskau auch gar nicht empfangen.

Gehört auch der derzeitige Bundeskanzler zu den Slim-Fit-Typen, die Sie zuvor kritisiert haben?

Er hat den Machterhalt der ÖVP mehr im Blick als das Interesse des Staates – sonst würde er die Koalition mit den Grünen sofort aufkündigen. Jetzt muss Schluss sein mit Teletubby-Politik. Wer sagt, wir werden kurzfristig von der pipeline-gebundenen Erdgasversorgung unabhängig sein, glaubt auch, die Erde ist eine Scheibe.

Sehen Sie Slim-Fit-Typen und Politiker, die nur auf den Machterhalt schauen, auch in der Landes-ÖVP?

Nein. Thomas Stelzer und mich verbindet nicht nur der Anzug-Typ (Anm.: kein Slim-Fit), sondern auch, dass wir Grundsätze haben, die zwar unterschiedlich sind, aber tiefer gehen als bei manchen, die auf anderen Ebenen schnell politisch Karriere gemacht haben.

2016 waren sie federführend daran beteiligt, dass Norbert Hofer als Bundespräsidentschafts-Kandidat für die FPÖ angetreten ist. Soll er bei der Bundespräsidenten-Wahl heuer erneut antreten?

Das ist seine Entscheidung. Die FPÖ soll auf jeden Fall einen Kandidaten oder eine Kandidatin stellen. Ich wünsche mir einen starken Gegenpol zu Van der Bellen. Dessen Vorgangsweise bei Grundrechtseinschränkungen rundum Corona hat mir überhaupt nicht gefallen.

Vor einem Jahr sind Sie nach ihrer schweren Covid-Erkrankung aus dem Spital entlassen worden. Wie schaut Ihre Bilanz ein Jahr nach dieser lebensbedrohlichen Situation aus?

Man hat – also bei mir ist es so – nur noch ganz wenige Ängste. Es war hart, auch psychisch nach der Aufwachphase. Auf der anderen Seite fühle ich mich jetzt besser und stärker als je zuvor. Ich habe mich zurückgekämpft. Wer nicht am Boden gelegen ist, weiß nicht, wie man wieder stark aufsteht. Ich kenne diese Situation innerhalb der Partei 2002/03. Ich kenne sie jetzt auch menschlich und persönlich.

Vierte Wiederwahl

Manfred Haimbuchner stellt sich am Samstag zum vierten Mal der Wiederwahl als FPÖ-Landeschef. 2010 wurde er erstmals gewählt, damals als Nachfolger des im Vorjahr verstorbenen Lutz Weinzinger. Beim bisher letzten Parteitag 2019 erhielt Haimbuchner 97,3 Prozent der Stimmen. Der Parteitag findet im Linzer Design Center als Präsenzveranstaltung mit 3G-Regel statt. Zu Gast wird auch Bundes-FP-Chef Herbert Kickl sein.

Das Interview erschien am Samstag, 2. April 2022 in den Oberösterreichischen Nachrichten.