Roman Haider im KURIER-Interview: „Können uns alle Maßnahmen zum Klimaschutz sparen“

Der oberösterreichische Spitzenkandidat zur EU-Wahl, MEP Mag. Roman Haider im ausführlichen Interview mit dem oö. KURIER-Chefredakteur Josef Ertl.

Roman Haider. Der FPÖ-Abgeordnete bezweifelt den vom Menschen verursachten Klimawandel. Für die teils rechtsextreme AfD findet er lobende Worte.

Von JOSEF ERTL

Roman Haider (57) ist seit 2019 Abgeordneter der FPÖ zum EU-Parlament. Bei der Europawahl am 9. Juni ist der 57-Jährige erneut freiheitlicher Spitzenkandidat des Landespartei. Von 2008 bis 2019 war er Abgeordneter zum Nationalrat. Haider ist seit 1991 Mitglied des Gemeinderates von Aschach a. d. D. Er war unter anderem Landesobmann und Bundesobmann des Rings Freiheitlicher Jugend, seit 2005 ist er Landesfinanzreferent.
Die FPÖ ist im Europaparlament im Bündnis mit der ID (Identität und Demokratie) , einem Zusammenschluss von rechten und teilweise rechtsextremen Parteien.

KURIER: Gibt es eine Entscheidung im EU-Parlament, die Ihre Handschrift trägt?
Roman Haider: Als Sprecher der ID-Fraktion im Verkehrsausschuss habe bei der Führerscheinrichtlinie mitgearbeitet. Die französische Ausschussvorsitzende, eine Grüne, hat unseren österreichischen L17-Führerschein gestrichen, sie wollte Tempo 90 und ein Nachtfahrverbot. Für die über 60-Jährigen wollte sie alle zwei Jahre eine verpflichtende Untersuchung vorschreiben. Wir haben das alles rausgebracht. Es ist immer ein langwieriges Verhandeln und Feilschen um jedes Wort.

Jetzt im Wahlkampf ziehen Sie wieder durch die Lande, weil Sie die Stimmen der Wähler haben wollen. Sonst sind Sie kaum präsent. Wieso informieren Sie die Menschen hier im Land in den restlichen fünf Jahren nicht über ihre Tätigkeit? Das ist eine Kritik, die alle Fraktionen betrifft.
Neben der Arbeit tun wir in Brüssel nichts anderes, als zu informieren. Es schreibt nur keine Zeitung darüber.

Ihre Gegner sagen, wer FPÖ wählt, wählt Putin.
Das ist lächerlich. Weil man uns inhaltlich nichts entgegenzusetzen hat, kommt man mit derartigen Dämonisierungen.

Sie haben in einem Interview zum Friedensschluss in der Ukraine aufgerufen. Und Russland sollte die ukrainischen Gebiete bis zum Dnjepr erhalten.
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass es sein kann, dass sich Putin die Gebiete bis zum Dnjepr holt. Ich habe nicht gesagt, dass er sich die gesamte Ukraine holt, sondern die russischen Teile.

Putin lehnt Friedensverhandlungen ab.
Ich höre die Ablehnung von Verhandlungen nur von der ukrainischen Seite. Ich bin weder der Anwalt von der einen noch von der anderen Seite, ich bin auch kein Putin-Freund.

Verstehen Sie die Forderung der Ukraine, wenn sie verlangt, dass ukrainisches Staatsgebiet bei der Ukraine bleiben muss?
Das verstehe ich. Wie weit es sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Österreich war selbst einmal ein Imperium mit 55 Millionen Einwohnern, das Teile der heutigen Ukraine umfasst hat. Irgendwann ist man möglicherweise gezwungen, Realitäten anzuerkennen. Dass dieser Krieg so nicht gewonnen werden kann, ist offensichtlich. 600.000 junge Männer sind dort schon gestorben. Wie viele sollen noch fallen?

Sie lehnen die Sanktionen der EU gegen Russland ab. Wie sollte die EU sonst auf den Angriffskrieg Russlands reagieren?
Die EU hat in diesem Konflikt von Anfang an alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Sie hat sich demonstrativ auf eine Seite gestellt und die NATO-Kriegsrhetorik übernommen. Für ein neutrales Land wie Österreich waren alle diese Schritte untragbar. Österreich wäre doch der Ort für Friedensverhandlungen gewesen.

Bundeskanzler Karl Nehammer hat das versucht und ist zu Putin gefahren. Ohne Erfolg.
Das war ein kläglicher Versuch. Er hat wirklich geglaubt, er kann nach Moskau fahren und Putin den Kopf waschen.
Die EU-Sanktionen sind ein absoluter Schuss ins eigene Knie. Sie haben dazu geführt, dass Russland so viel Geld hat und so viele Gewinne macht wie noch nie. Bei uns gehen Firmen Pleite und Arbeitsplätze verloren. Sie haben die Inflation noch befeuert.

Dass die Ukraine EU-Mitglied werden soll, halten Sie vermutlich auch für einen Fehler?
Am Beispiel Türkei sehen wir, wie lange das dauert bzw. möglicherweise ewig dauert. Die Ukraine ist auf allen Ebenen eines der korruptesten Länder Europas. Es wird die Aufnahmekriterien lange nicht erfüllen können. Das ist eine PR-Aktion.

Laut Umfragen für die EU-Wahl ist die FPÖ stark im Aufwind. Wie viele Prozentpunkte erwarten Sie für Oberösterreich? 2019 waren es 17 Prozent.
Es wird sich zwischen 25 und 30 Prozent einpendeln. Das ist auch das, was ich bei meinen Wahlveranstaltungen so spüre. Dei Meinungsumfragen geben uns von 27 bis 30 Prozent.

Sie fordern das Aus für das von der EU beschlossene Verbot von Autos mit Verbrennermotoren ab 2035. Das verlangen die Konservativen auch.
Nein, das sagen sie nur vor der Wahl. Die Europäische Volkspartei und auch die ÖVP haben das mitbeschlossen. Nicht alle, aber die Mehrheit.

Sie wollen auch das soeben beschlossene Lieferkettengesetz beseitigen, das vor Kinderarbeit und Ausbeutung schützt.
Der gesamte Green Deal und alle seine Nebengesetze sind ein Green Desaster. Das ist nichts anderes als ein sozialistisch-planwirtschaftlicher Großangriff auf unseren Wohlstand. Die Existenz der Bauern wird bedroht. Die Maßnahmen sollen alle dem Ziel dienen, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Der Klimawandel ist eine Realität. Man muss ihm begegnen, um die katastrophalen Auswirkungen zu verhindern. Wie sonst soll man das Ziel der Klimaneutralität erreichen?
Glauben Sie, dass man den zyklischen Klimawandel, den es schon immer gegeben hat, aufhalten kann?

Der Klimawandel ist wesentlich durch den CO2 -Ausstoß verursacht.
Das ist nicht mit letzter Konsequenz nachgewiesen.

Sie bezweifeln, dass der Klimawandel menschengemacht ist? Glauben Sie, dass man ihn aufhalten kann?
Aufhalten können wir ihn sowieso nicht. Wenn, dann ist der menschenverursachte Anteil so gering, dass es kaum Auswirkungen hat, was wir in Europa machen.

Wir können uns also alle Klimaschutzmaßnahmen sparen?
Wir können und müssen uns das alles sparen. Denn die gesamte restliche Welt macht nicht mit. Europas Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß beträgt lediglich acht Prozent. Die wahren Emittenten sind China, Indien und die USA.

Wenn man den Ausstoß auf die Bevölkerungsanzahl (Pro-Kopf-Ausstoß) umlegt, gehören wir Europäer zur weltweiten Spitze.
Nein, auch nicht. Wir sind nur noch 490 Millionen. Wir sind auch beim Pro-Kopf-Ausstoß nicht mehr relevant und ruinieren mit diesen völlig sinnlosen Maßnahmen die Wirtschaft. Mit dem Verbrennerverbot wird es in Europa wie in Kuba werden. Wegen einer CO2-Reduktion von weniger als einem Prozent ruinieren wir die europäische Automobilindustrie.

Wollen Sie den EU-Austritt Österreichs?
Nein. Das würde für Österreich den Staatsbankrott bedeuten. Mit unseren Freunden in der ID-Faktion arbeiten wir eng zusammen, damit wir die EU von innen verändern. Dass sich die Mitgliedsstaaten wieder Kompetenzen zurückholen. Wir wollen ein Europa der Vaterländer, einen Staatenbund. Im Binnenmarkt sollte man stark zusammenarbeiten, dazu in einigen anderen Bereichen wie der Verkehrspolitik. Wir brauchen eine Festung Europa gegen die illegale Immigration.

Ist der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán für Sie ein Vorbild?
Er ist ein großartiger Politiker. Wir wären froh, wenn sich er und seine Partei nach der Wahl entschließen, in unsere Fraktion zu kommen.

Die AfD ist auch Teil Ihrer ID-Fraktion. Teile der AfD stehen wegen Rechtsextremismus unter Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes. Selbst die Französin Marine Le Pen lehnt deswegen eine Zusammenarbeit mit der AfD ab. Wie sehen Sie die Partei?
Das ist der Versuch von außen, hier einen Keil hineinzutreiben. Marine Le Pen lehnt eine Zusammenarbeit nicht ab, es hat lediglich einmal Unstimmigkeiten wegen der Semantik von einigen Begriffen gegeben. Das kann man sich alles ausreden, wir sind schließlich Fraktionskollegen.

Sie finden die AfD großartig?
Es gibt dort wie in meiner eigenen Partei viel Licht und hin und wieder einmal einen Schatten. Sie ist eine junge Partei, in der es gärt und die Fehler macht. Ich sehe in der AfD die einzige Zukunft für Deutschland.

Gegen Thüringens Björn Höcke läuft derzeit ein Gerichtsverfahren wegen Verwendung eines Nazi-Slogans. Sind Ihnen Leute wie er nicht zu rechtsextrem? Ich kenne diese Leute nicht. Rechtsextrem heißt, dass man gegen die Demokratie ist und dass man Gewalt zur Durchsetzung seiner Ziele anwendet. Beide Kriterien treffen weder auf die AfD noch auf die FPÖ zu. Dass die deutsche Innenministerin Faeser den Geheimdienst missbraucht, um die einzige effektive Oppositionspartei überwachen zu lassen, ist eine Sauerei ersten Grades. Es zeigt, wie die Linken sind, wenn sie an der Macht sind. Demokratie schreien und in Wahrheit einen illiberalen Zwangsstaat errichten, in dem gegenteilige Meinungen kriminalisiert werden. Die AfD ist ein Opfer von genau diesen Leuten.

Die Überwachung von Teilen der AfD gibt es schon seit Jahren und nicht erst seit Faeser. Für Manfred Weber den Spitzenkandidaten der Konservativen, ist die AfD eine Neonazipartei.
Es ist Wahlkampf. Weber nehme ich sowieso nicht ernst. Er ist eine tragische Figur, er hätte vor fünf Jahren Kommissionspräsident werden wollen. Seither läuft er im Parlament wie ein geprügelter Hund herum.

Das Interview erschien am Sonntag, 5. Mai 2024 in der Print-Ausgabe des KURIER.