Tiroler Tageszeitung: „Keine Kaffeeklatsch-Runde“

Im Interview mit Karin Leitner von der TIROLER TAGESZEITUNG spricht FPÖ-Landesparteiobmann, Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner über die FPÖ und Russland, Bundesparteiobmann Herbert Kickl und die Wahl des Bundespräsidenten. 

ÖVP-Kanzler Karl Nehammer war beim ukrainischen Präsidenten, nun beim russischen Präsidenten Putin. Eine gute Aktion?

Manfred Haimbuchner: Grundsätzlich hätte Österreich eine Brückenfunktion, Stichwort Kreisky. Ich bezweifle aber, dass Nehammer der Historie gerecht werden kann. Ich orte ein Quäntchen Selbstüberschätzung. Und ich orte als bedenklich für Österreich und die EU, dass es Verhandlungen in der Türkei gegeben hat. Das zeigt den sinkenden geopolitischen Stellenwert Europas.

Hinterfragen Sie Österreichs EU-Mitgliedschaft?

Haimbuchner: In der EU ist fast alles zu hinterfragen. Und Österreich ist seiner Neutralität nicht gerecht geworden, auch nicht militärisch. Das Heer wurde ausgehungert.

Die FPÖ hat mit Mario Kunasek einen Heeresminister gestellt. Warum hat sie nicht für ausreichende Dotierung gesorgt?

Haimbuchner: Er war nicht einmal zwei Jahre Minister, ist nicht für die Versäumnisse der anderen Regierungen verantwortlich.

Unter Heinz-Christian Strache gab es die Russland-Connection, Bilder aus Moskau von Strache, Norbert Hofer & Co., symbolisiert auch durch den Knicks von Außenministerin Karin Kneissl vor Putin bei ihrer Hochzeit. Wie hält es die FPÖ jetzt mit ihm?

Haimbuchner: Ich hatte immer eine klare Haltung, ich war bei besagten Ereignissen nicht dabei. Ich habe das immer kritisch betrachtet. Und habe Recht behalten. Es gibt Interessen eines Landes, einer Partei, die sind auch wichtig. Es muss aber Äquidistanz zu anderen Mächtigen geben. Die USA sind eine Demokratie, das ist anders zu werten als Russland und China – die dortigen Menschenrechtsverletzungen darf man nicht negieren. Ich bin aber kein Anhänger der NATO.

Die von der FPÖ als Außenministerin nominierte Karin Kneissl ist seit Juni 2021 Aufsichtsratsmitglied des vom russischen Staat kontrollierten Ölkonzerns Rosneft, seit Mai 2020 als Gastautorin für den russischen Staatssender Russia Today tätig. Wie finden Sie das?

Haimbuchner: Sie ist Privatperson. Das muss sie mit ihrem Gewissen vereinbaren.

Sie sind am 2. April als Obmann der oberösterreichischen FPÖ wiedergewählt worden – mit 93,4 Prozent, 2019 waren es 97,3. Warum jetzt weniger Zuspruch?

Haimbuchner: Jedes Ergebnis über 90 Prozent bei einer geheimen Wahl ist fantastisch. Ich habe zum fünften Mal kandidiert, immer Ergebnisse zwischen 93 und 97 Prozent gehabt. Vielleicht habe ich ja im Vorfeld dieser Wahl jemanden einmal schief angeschaut.

Sie loben die koalitionäre Partnerschaft in Oberösterreich, beklagen die Politik der Türkisen im Bund. Wie geht das zusammen?

Haimbuchner: Man muss zwischen Bundes-, Landesund Kommunalpolitik differenzieren. In Oberösterreich kann ich freiheitliche Werte mit der ÖVP umsetzen.

Sie haben beim Parteitag einen Gutschein für eine Storchenfeier bekommen, weil Sie wieder Vater werden. Sie waren vor einem Jahr bei einer solchen, nicht Corona-regelkonform, es gab eine Verwaltungsstrafe. Sie hatten Corona, waren auf der Intensivstation. Warum blieb die FPÖ trotzdem bei ihrem Kurs? Hätten Sie ihn geändert? Oder gab es ein Nein von Parteichef Herbert Kickl?

Haimbuchner: Ich habe immer gesagt, dass das Virus gefährlich sein kann – und dass man die Risikogruppen schützen muss. Es ging um Maßnahmenkritik, darum, dass Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte nicht gewahrt wurden.

Die FPÖ hat sich unter Kickl auf das Corona-Thema verengt. Hat sie sonst nichts zu bieten?

Haimbuchner: Corona hat bei mir einen wichtigen Stellenwert, ist aber nicht alles. Die FPÖ hat sich auch zu anderen Themen geäußert, ist medial damit aber nicht durchgekommen, weil sich alles auf Corona konzentriert hat.

Beim APA/OGM-Vertrauensindex wird Kickl am schlechtesten von allen Bundespolitikern bewertet. Sorgt Sie das für die Partei?

Haimbuchner: Ich schaue mir diese Indizes seit Jahren nicht mehr an. Entscheidend ist der Wahlerfolg.

Laut Umfragen kommt die FPÖ aber nicht voran.

Haimbuchner: Das wird man am Wahlabend sehen. Die Themenlage würde uns liegen: Inflation, Teuerung.

Wie will die FPÖ Wähler, die zu Sebastian Kurz gegangen sind, zurückholen?

Haimbuchner: Durch konsequente, anständige, rechtsliberale Politik.

Die Hofburg-Wahl steht im Herbst an. Die FPÖ wird antreten. Wer sollte für die FPÖ kandidieren? Erneut Norbert Hofer oder Mandatarin Susanne Fürst, wie man aus der Partei hört?

Haimbuchner: Das steht noch nicht fest.

Die übrigen Parteien werden Amtsinhaber Alexander Van der Bellen unterstützen. Die FPÖ wird also nicht reüssieren. Warum dennoch ein Anwärter?

Haimbuchner: Es wäre vermessen, von einem Sieg auszugehen. Die Bürger sollen aber Wahlmöglichkeit haben.

Animositäten zwischen Ihnen und Kickl, zwischen Kickl und Hofer sind spürbar. Oder passt kein Blatt Papier zwischen Sie alle?

Haimbuchner: Die FPÖ ist föderal strukturiert. Es gibt keine ,Message Control‘. Es muss nicht jeder Everybody’s Darling sein. Das ist keine Kaffeeklatsch-Runde. Was zu sagen ist, wird in den Gremien gesagt. Ich bin ein Verantwortungsträger mit klarer Überzeugung.

Das Interview erschien am 12. April 2022