Umsetzung der Renaturierungsverordnung: Zwischen Anspruch und Realität

Die kürzlich veröffentlichte Verordnung zur Wiederherstellung der Natur hat offiziell Eingang in das Amtsblatt der Europäischen Union gefunden und ist somit 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft getreten. Damit sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, sie in die Praxis umzusetzen. Doch wie diese Umsetzung in der Praxis aussehen soll, ist derzeit Gegenstand intensiver Diskussionen auf verschiedenen Regierungsebenen. Es zeichnet sich ab, dass der Weg von den theoretischen Zielen bis zur konkreten Realisierung ein langer und steiniger ist.

Koordination auf mehreren Ebenen

Für Oberösterreich wurde bereits eine eigene Koordinierungsstelle eingerichtet, um die Maßnahmen besser abstimmen zu können. Parallel dazu wird auf Bundesebene eine Fachstelle vorbereitet. Oberösterreich hat zudem Herrn Dr. Alexander Schuster als Vertreter in eine EU-weite Expertengruppe nominiert, um die Interessen des Landes zu wahren. So soll gewährleistet werden, dass Oberösterreich auf allen Ebenen Einfluss auf die Umsetzung nimmt.

Auf nationaler Ebene sieht man die Verordnung allerdings kritisch: Die Bundesländer müssen eigenständig bewerten, wie sie die Anforderungen der EU umsetzen wollen. Das bedeutet, dass eine ständige Arbeitsgruppe eingerichtet wird, die sich mit den spezifischen Gegebenheiten der einzelnen Länder auseinandersetzt.

„Unausgereifte Verordnung“

Die größte Herausforderung besteht darin, dass viele entscheidende Punkte der Verordnung bisher nicht geklärt sind. Insbesondere in finanzieller Hinsicht herrscht Unsicherheit. Die Europäische Kommission hatte in frühen Entwürfen geschätzte Kosten von 183 Milliarden Euro für die gesamte EU veranschlagt, diese dann auf 154 Milliarden reduziert. In der finalen Version wurden überhaupt keine Summen mehr genannt. Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Manfred Haimbuchner äußerte sich hierzu klar: „Nach der politisch und rechtlich mehr als fragwürdigen Zustimmung der Bundesministerin Gewessler zu einer Verordnung, die weder rechtlich bestimmt ausgestaltet, noch deren finanzielle Auswirkungen abgeschätzt werden kann, müssen die Bundesländer, allen voran Oberösterreich, mit Sachverstand, Maß und Ziel die jahrzehntelange Tradition des partnerschaftlichen Naturschutzes bewahren.“

 Finanzierung – Eine offene Frage

Wie die Verordnung finanziert werden soll, ist ebenfalls ungeklärt. Die Kosten werden von den üblichen Naturschutzbudgets der Länder bei Weitem nicht gedeckt werden können. Die EU fordert die Mitgliedstaaten auf, sogenannte Wiederherstellungspläne zu erstellen, die bis 2026 vorliegen und ab 2030 erste Ziele erreicht haben müssen. Oberösterreich sieht sich hier allerdings allein gelassen, da keine konkreten Finanzierungsmodelle seitens der EU vorliegen.

Unbestimmte Vorgaben und unscharfe Definitionen

Ein weiteres Problem der Verordnung ist die fehlende Klarheit in der Begrifflichkeit. Begriffe wie „günstiger Erhaltungszustand“ und „günstige Gesamtfläche“ sind nicht ausreichend definiert, was die praktische Umsetzung erheblich erschwert. Dr. Haimbuchner kritisiert diese unklaren Vorgaben: „Wir werden daher einerseits die geforderten Maßnahmen möglichst partnerschaftlich umsetzen und auf der anderen Seite aktiv auf europäischer Ebene bei der Erstellung der Wiederherstellungspläne auf den nötigen Sach- und Hausverstand pochen.“

Konsequenzen für die Landwirtschaft

Besonders deutlich wird die Unsicherheit in der Frage der Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Erste Studien der EU-Kommission zur Folgenabschätzung haben ergeben, dass die Lebensmittelproduktion erheblich beeinträchtigt werden könnte. Ein Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und ein damit verbundener Anstieg der Lebensmittelpreise sind laut den vorliegenden Daten wahrscheinlich. „Die Politik hat eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Verordnungen oder Gesetze zu beschließen, die die Eventualität von Nahrungsengpässen miteinbeziehen oder gar mit derartigen Versorgungsproblemen rechnen, sind eine Gefahr für unser Volk“, warnt Haimbuchner eindringlich. Diese potenziellen Versorgungsengpässe verdeutlichen, wie tiefgreifend die Auswirkungen der Renaturierungsverordnung sein könnten.

Auswirkungen auf Stadtentwicklung

Auch in der Stadtentwicklung wird die Renaturierungsverordnung bereits spürbar. So wurde das Linzer Projekt „IT:U“ durch den Bürgermeister abgelehnt, da es im Widerspruch zu den zukünftigen Anforderungen der Verordnung steht. Mehr Grünflächen im urbanen Raum sind vorgeschrieben, was städtische Entwicklungsprojekte einschränkt. „Unabhängig davon, ob man das Projekt unterstützt oder nicht, zeigt dieses Beispiel deutlich, dass Stadterweiterungen und Stadtentwicklungen in Zukunft schwieriger umsetzbar sein werden“, so Haimbuchner weiter. Hier zeigt sich bereits jetzt, wie tief die Einschnitte in gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche sein könnten.

Fazit: Anspruch und Realität klaffen auseinander

Die Renaturierungsverordnung der EU steht derzeit vor erheblichen Umsetzungsproblemen. Die fehlende Klarheit in der Finanzierung, ungenaue Begriffsdefinitionen und die tiefgreifenden Auswirkungen auf Landwirtschaft und Stadtentwicklung werfen Fragen auf. Während die Verordnung in der Theorie ambitionierte Ziele verfolgt, zeigen sich in der Praxis erhebliche Herausforderungen. Dr. Haimbuchner betont die Notwendigkeit, mit „Sachverstand, Maß und Ziel“ vorzugehen und warnt vor den potenziell gravierenden Konsequenzen für Oberösterreich und ganz Österreich.