Haimbuchner: „Putin raucht nicht“

Oberösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) im Sommergespräch mit der „BezirksRundschau“ über den 12-Stunden-Tag, GIS-Gebühren, russische Freundschaften und Änderungen im Regierungsteam.

Es hat zuletzt in Chemnitz (Deutschland) massive Ausschreitungen gegeben. Auslöser war, dass ein Iraker und ein Afghane einen Deutschen niedergestochen haben. Fühlt man sich da als FPÖ bestätigt? Sie haben ja stets Migration mit steigender Kriminalität verknüpft und davor gewarnt.

Leider Gottes kann Zuwanderung auch so ausgehen, wie jetzt diese tragischer Fall in Chemnitz. Das Problem ist, dass das kein Einzelfall ist. Es kommen Menschen im Zuge der illegalen Migration nach Europa, die um Hilfe und Schutz ansuchen, sich aber furchtbar benehmen.

Haben Sie Verständnis für das Verhalten von Demonstranten in Chemnitz?

Was da in Chemnitz wirklich passiert ist und was bei den Demonstrationen passiert, kann man nur sagen, wenn man persönlich anwesend ist. Es werden die Nachrichten ja mittlerweile auf den unterschiedlichsten Ebenen gefiltert. Gewalt darf nie in Gegengewalt enden. Ganz egal, worum es geht. Aber jetzt Bürger an den Pranger zu stellen, die ihren Unmut – jetzt sprechen wir vom legalen Unmut – und ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen: Das halte ich für verwerflich!

Es hat sich die AfD in dieser Sache eindeutig deklariert – mit dieser Partei hat die FPÖ ja ein Freundschaftsübereinkommen.

Ich bin nicht der Kommentator der AfD. Die AfD ist eine Partei, die in Deutschland von über sechs Millionen Menschen gewählt wurde. Sie ist die drittstärkste Kraft im deutschen Bundestag. Dieses Über-Ideologisieren, das von linkslinker Seite stattfindet, interessiert niemanden. Man muss sich vielmehr die Frage stellen, warum kann eine neue Partei so erfolgreich sein?! Die Bürger haben ihren Unmut bei der letzten Bundestagswahl geäußert. Die Einwanderungspolitik von Angela Merkel ist für Europa – nicht nur für Deutschland – ein Riesenproblem geworden. Wir sehen, dass die ganzen linken Kräfte – dazu zähle ich auch die Frau Merkel – in Europa abgewählt werden. Was wurde denn aus dem Herrn Hollande in Frankreich, was wurde aus Herrn Varoufakis in Griechenland? Der war ja lange Zeit der Posterboy der Linken.

Es gibt einen weiteren Schnittpunkt zwischen AfD und FPÖ. Landesrat Elmar Podgorschek hat im Sommer eine Rede vor dem Thüringer AfD-Landesverband gehalten. Ich nehme an, Sie waren mäßig erfreut, als sie dessen Inhalt gehört haben?

Elmar Podgorschek hat sich vielleicht etwas klobig ausgedrückt. Wir haben diese Sache besprochen und bereinigt. Aber ganz offen und ehrlich: Es war weder eine Tragödie noch ein Skandal, sondern eine typische Twitter-Diskussion. Die meisten haben überhaupt nicht gewusst, was er gesagt hat, sondern man hat sich künstlich aufgeregt. Man hat versucht, irgendwelche Bad News zu konstruieren, weil ansonsten kein Konflikt da ist. Denn dort wo wir regieren, gibt es Kontinuität und es geht etwas weiter. Es ist immer so, dass derjenige, der sich in der Politik bewegt und etwas umsetzen will, manchmal die Schläge abkriegt. Nur: Bei den Linkslinken in diesem Land schlägt ja nicht einmal mehr der Bewegungsmelder an.

Noch einmal zu Podgorschek zurückzukommen. Er hat ja von einer Neutralisierung des ORF gesprochen. Ist der ORF für die FPÖ wirklich so links?

Wenn Podgorschek von einer Neutralisierung gesprochen hat, dann im Sinne von Objektivität, die wir einfordern. Da gibt es viele Analysen, die uns ganz klar bestätigen. Ich rede aber in erster Linie vom Wiener ORF, ich rede vom Küniglberg. Diese Erfahrungen habe ich selbst gemacht. Es ist überhaupt kein „Im Zentrum“ mit Ingrid Thurnher vergangen, bei dem man mir nicht beim ersten Satz schon ins Wort gefallen wäre. Man hat sich dort nicht als Mitdiskutant gefühlt, sondern als Feindbild und Angeklagter.

Es muss sich im ORF etwas ändern, wenn der ORF auf Bundesebene glaubwürdig sein will. Ich stehe zu einem staatlichen Rundfunk, aber es geht um Objektivität und um den Bildungsauftrag. Manchmal habe ich das Gefühl, dass der Bildungsauftrag in manchen Bereichen von „ServusTV“ und Herrn Mateschitz übernommen wurde.

Noch einmal zum ORF: Soll die Gebührenfinanzierung bleiben?

Ein staatlicher Rundfunk wird immer in irgendeiner Art und Weise von der öffentlichen Hand getragen werden – nur: Ob die GIS-Gebühren so eingehoben werden müssen, von einzelnen Bürgern, ist für mich fraglich. Ich bin der Meinung, dass die GIS-Gebühren in dieser Form abgeschafft werden müssen. Der ORF soll ganz normal über das Budget finanziert werden. Natürlich mit einer guten Finanzplanung für die Zukunft. Da wird man nicht jedes Jahr das Budget verhandeln können, das ist mir auch klar. Sonst würde man eine gewisse Unabhängigkeit gefährden. Aber ich persönlich bin für die Abschaffung der GIS-Gebühren.

Soll dann im Budget also eine Summe zweckgewidmet werden für den ORF?

Das wird noch auszuhandeln sein.

Also, die Abschaffung der GIS-Gebühren kommt?

Ich gehe davon aus, dass die Abschaffung der Gebühren kommt. Ich trete dafür ein. Aber: Eine vernünftige Presseförderung in unserem Land muss und soll es auch geben. Wir wollen auch keine prekären Verhältnisse von Redakteuren und Journalisten.

Wo verortet sich die FPÖ eigentlich selbst? Sind Sie bürgerliche Partei oder Arbeiterpartei?

Ich halte von diesen Begrifflichkeiten überhaupt nichts. Das ist etwas für eine ideologische Auseinandersetzung, für den Akademikerverband oder für ein Bildungsinstitut. Die FPÖ hat als Partei immer Arbeiter, Unternehmer, Landwirte, Beamte, Jung und Alt und Männer sowie Frauen vereint. Wir sind eine Partei der gesellschaftlichen Mitte, die eine klare Ausrichtung hat – in den meisten Fragen rechts der Mitte.

Wir sind eine Partei für die Heimat. Wir sind tatsächlich die Partei, die für die Interessen der Heimat eintritt. Das umfasst alle Mitbürger, die hier ordentlich ihren Weg gehen wollen.

Politik mit Hausverstand

Es sind trotzdem viele ehemalige Sozialdemokraten, die nun die FPÖ wählen. Da fragt man sich: Warum macht die FPÖ derzeit gegen deren Interessen Politik? 12-Stunden-Tag, Reform der Notstandshilfe und Kindergartengebühren, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Ganz im Gegenteil. Diese 12-Stunden-Tag-Diskussion ist eine, die mich überhaupt verwundert. Denn die gesetzliche Lage, die geschaffen wird, ist nur die Anpassung an die Realität. Nebenbei: Das ist ja eine Möglichkeit der Flexibilisierung, es ist ein Ja zur Leistung. Wir sind eine Partei der Leistungsträger. Die SPÖ hat eine Politik gemacht, mit der man nur künstlich Ansprüche decken wollte. Die FPÖ macht eine Politik, die sich am Hausverstand orientiert und der Lebensrealität gerecht wird. Was die Kindergartengebühr anbelangt: Dass wir nicht alles gratis anbieten können, hat jeder gewusst. Das waren reine Wahlkampfzuckerl, von unterschiedlichen Politikern. Man hat gewusst, dass das auf Dauer nicht gut gehen kann. Ich werde mich sicher nicht über das Geldverteilen in irgendeiner Art und Weise politisch definieren.

Beim 12-Stunden-Tag ist ja nicht nur Kritik vom politischen Mitbewerber gekommen, sondern massiv von den eigenen Wählern, wenn man sich den Unmut auf HC Straches Facebookseite anschaut. Macht da die FPÖ nicht die Politik der ÖVP gegen die Interessen der eigenen Wähler?

Überhaupt nicht. Außerdem hat es in der ÖVP massive Konflikte gegeben – zum Beispiel beim ÖAAB. Darüber wurde lustigerweise nie berichtet. Nebenbei sind eine Reihe von Unwahrheiten und Lügen in die Welt gesetzt worden. So hat man zum Beispiel gesagt, dass jeder verpflichtet werden würde, zwölf Stunden pro Tag zu arbeiten. Das stimmt ja überhaupt nicht! Es wurde klargestellt, dass der 12-Stunden-Tag freiwillig ist und dass sich der Durchrechnungszeitraum und die Jahreshöchstarbeitszeit nicht verändern. Wir schaffen nur mehr Flexibilität. Gerade am Land ist das ein Thema: Viele Oberösterreich, die am Bau oder im Baunebengewerbe zum Beispiel in Wien arbeiten – die wollen von Montag bis Donnerstag intensiv arbeiten, aber am Freitag dann zu Hause sein. Das ist eine Anpassung des Gesetzes an die Realität.

Sie haben die Freiwilligkeit beim 12-Stunden-Tag angesprochen. In Zeiten der Hochkonjunktur kann das ja vielleicht möglich sein, da überall Arbeitskräfte gesucht werden. Aber in der nächsten Krise: Wie soll sich da eine Kassiererin in einem großen Handelsbetrieb wehren, wenn der Arbeitgeber will, dass sie zwölf Stunden arbeitet?

Es ist klipp und klar festzustellen: Verträge und Gesetze sind in diesem Land einzuhalten! Gerade große Firmen legen Wert darauf, dass sie in keiner Art und Weise mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Man kann natürlich hier versuchen, eine Angelegenheit, die gut ist, schlecht zu machen. Ich stehe zu dieser Arbeitszeitflexibilisierung, das wünschen sich viele Arbeitnehmer in diesem Land. Ich habe keine zehn E-Mails bekommen zu diesem Thema.

Aber der Druck von einem Arbeitgeber auf einen Arbeitnehmer hat ja nicht immer mit einem Gesetz etwas zu tun – das funktioniert vielfach ja subtiler. Wenn es heißt, man muss heute länger dableiben: Wie soll sich ein Arbeitnehmer in Wirklichkeit dagegen wehren? Denken wir ein paar Jahre zurück, die Wirtschaftskrise, hohe Arbeitslosigkeit. Da wird die angesprochene Kassiererin dann schnell keinen Job mehr haben, wenn sie zu oft Nein sagt.

Jedes Unternehmen ist daran interessiert, die guten Arbeitnehmer zu halten. Das ist ja nicht nur die Herausforderung der Gegenwart, sondern auch die Herausforderung der Zukunft. Wenn es Probleme gibt, dafür gibt es die innerbetriebliche Mitbestimmung, dafür gibt es ja auch einen Betriebsrat, dafür gibt es ja auch eine Gewerkschaft.

Einen Betriebsrat gibt es nicht in allen Firmen.

Unternehmen, die keinen Betriebsrat haben, tun sich oft viel schwerer, weil man oft keinen direkten Ansprechpartner hat, mit dem man gewisse Probleme lösen kann. Wenn man glaubt, es ist für den Unternehmer ein Vorteil, keinen Betriebsrat zu haben, befindet man sich auf dem Irrweg. Innerbetriebliche Mitbestimmung und ein gutes Miteinander ist ganz einfach notwendig – mit dieser Regierung geht jetzt einmal etwas weiter. Da kann man jetzt überall ein Haar in der Suppe suchen. Und: Die schwarzen Schafe unter den Unternehmern, die üben diesen Druck unabhängig von einer Arbeitszeitflexibilisierung, unabhängig von einer gesetzlichen Grundlage, aus. Das sind im wahrsten Sinne des Wortes schwarze Schafe, mit denen keiner Freude hat.

Leistbare Flexibilität

Sie sind auch Familienlandesrat. Jetzt gibt es den 12-Stunden-Tag und die Nachmittagsgebühren im Kindergarten. So richtig familienfreundlich klingt das alles nicht.

Es ist sogar sehr familienfreundlich und bietet Flexibilität für die arbeitenden Menschen. Denn es ist leichter, für ein paar Tage mal eine Betreuung zu finden, wenn als Arbeitnehmer von sich aus bereit ist, mehr als acht Stunden zu arbeiten. Dafür ist man an einem anderen Tag früher zu Hause, kann früher sein Kind abholen oder man ist überhaupt zu Hause an einem Wochentag, an dem man keine Betreuung braucht. Glauben Sie mir: Das ist eine absolute Voodoo-Diskussion! Denn am Ende des Tages wird diese Flexibilität gelebt, es gibt eine Reihe von Arbeitnehmern, die sich das wünschen. Es wird auch hier in diesem Interview so getan, als müssten jetzt alle Leute jeden Tag zwölf Stunden arbeiten. Das stimmt überhaupt nicht. Die Jahres-Höchstarbeitszeit ändert sich um keine einzige Minute, der Durchrechnungszeitraum ändert sich überhaupt nicht. Es haben nur gewisse Unternehmen – und auch die Arbeitnehmer dort – die Möglichkeit, eine Flexibilität zu nutzen, die es in Industriebetrieben seit Jahrzehnten gibt. Die haben sich alle nicht beschwert. Die, die sich beschweren, sind Teile der FSG, Teile der Gewerkschaft. Die können jetzt nicht mehr alles zentral steuern – das ist doch die Wahrheit hinter dieser Debatte!

Es wird derzeit erhoben, wie viele Kinder aufgrund der Nachmittagsgebühren vom Kindergarten abgemeldet wurden. Sie als Familienlandesrat: Finden Sie es sinnvoll, eine Reform zu machen, deren Resultat ist, dass bis zu 20 Prozent der Kinder abgemeldet werden?

Dann gibt es da offensichtlich einen Überbedarf. Das wissen wir ja aus den Gemeinden: Als der Gratiskindergarten eingeführt wurde, sind die Zahlen in die Höhe geschnellt.

Warum ist das jetzt negativ?

Kinderbetreuung hat natürlich etwas mit Bedarf zu tun. Wenn die Kinder jetzt abgemeldet werden, dann ist offensichtlich der Bedarf nicht gegeben gewesen.

Aber wenn ich das jetzt aus wirtschaftlicher Sicht betrachte: Derzeit sind die Arbeitskräfte Mangelware. Wieso mache ich es dann Frauen schwieriger, Vollzeit arbeiten gehen zu können? Müssten Sie da nicht viel eher sagen: Das bieten wir gratis an und hängen noch ein zweites, verpflichtendes Kindergarten dran?

Das ist gerade das falsche Argument! Wenn diese Frauen – oder es können ja auch Väter sein – einen Arbeitsplatz annehmen oder ihre Tätigkeit ausweiten, dann würden sie ja ihre Kinder nicht aus der Betreuung nehmen.

Aber vielleicht kann sich jemand die Gebühr nicht leisten?!

21 Euro kann man sich leisten. Und übrigens: Die Nachmittagsgebühren im Kindergarten sind jahrzehntelang in Oberösterreich Usus gewesen – ohne soziale Abfederung, ohne Staffelung, unter sozialdemokratischer Führung. Da hat es keine Aufregung gegeben. Dieser Betrag ist in Oberösterreich leistbar und wer es sich nicht leisten kann, für den kann der Kindergarten-Träger eine Kostenfreiheit anbieten.

„Erben ist keine Leistung“

Ist Erben für Sie eigentlich eine Leistung?

Erben ist überhaupt keine Leistung. Bei denjenigen, die etwas erarbeitet haben – wie etwa mein Großvater, der dieses Grundstück in den Dreißigerjahren gekauft hat und beim Kraftwerk gearbeitet hat – bedanke ich mich bei ihm. Denn sonst hätten wir diese tollen, alten Obstbäume hier nicht.

Die Bundesregierung hat ja die Absicht, aus einem dreigleisigen System – Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung – ein zweigleisiges System zu machen. Es würde dann die Notstandshilfe wegfallen, wenn man länger arbeitslos ist. Stellen wir uns einen Menschen vor, der etwas älter ist und arbeitslos wird. Wenn dieser Mensch länger arbeitslos ist und es nur mehr die Mindestsicherung gibt, greift ja der Staat auf dessen Vermögen zu. Das ist ja dann so etwas wie eine Vermögenssteuer – nur halt für Menschen, die arbeitslos sind.

Also, wie letztendlich dieser Bereich gestaltet wird, ist noch überhaupt nicht fix.

Aber ein zweigleisiges System soll ja kommen!

Das ist richtig. Aber was wir wollen ist, dass das Arbeitslosengeld für einen gewissen Zeitraum sogar erhöht wird. Denn Folgendes ist ja heute die Katastrophe: Wenn jemand jahrzehntelang wirklich brav gearbeitet hat, durch einen Unglücksfall arbeitslos wird und dann in seinem Einkommen eingeschränkt wird. Wir wollen diese Leute unterstützen. Alles andere, was sie genannt haben: Die Mindestsicherung soll ja kein bedingungsloses Grundeinkommen sein. Wir diskutieren da am Ende des Tages über eine Überbrückungshilfe, irgendwann einmal müssen diese Leute wieder auf eigenen Füßen stehen und können sich nicht in der sozialen Hängematte ausruhen. Da braucht man eine bestimmte Motivation, dass man Arbeit wieder annimmt. Es gibt auch viele offene Stellen – unabhängig von der Konjunktur – und ich muss mir ganz einfach überlegen, wie man diese Menschen wieder in den Arbeitsprozess eingliedern kann. Das sollte die Hauptaufgabe des AMS sein. Es gibt da viele gute Projekte, das wissen wir auch.

Aber eines ist klar: Wir wollen niemanden in seinem Eigentum beschränken, weil er durch eine unglückliche Situation einmal arbeitslos oder erwerbsunfähig ist.

Sie haben mehrmals jetzt die Leistungsträger erwähnt und deshalb habe ich die Frage gestellt. Auf der einen Seite hat man einen Erben, der de facto keine Leistung erbracht hat – und der zahlt auch keine Steuer für das Erbe. Auf der anderen Seite gibt es jemanden, der gearbeitet hat, dann länger arbeitslos wird und durch die Abschaffung der Notstandshilfe greift der Staat auf dessen Vermögen zu. Ergo: Diese Person zahlt eine Vermögenssteuer. Ist das nicht ungerecht?

Das ist noch nicht festgehalten, ob der Staat da zugreift. Da gibt es noch nicht einmal einen Entwurf dazu und schon diskutiert man über eine Vermögenssteuer. Ich kenne nur die Sozialisten, die ständig über eine Vermögenssteuer diskutieren. Da kann ich nur eines sagen: Wenn Erben keine Leistung ist, und manche vertreten, dass man das Erben mehr besteuern müsste, wird es am ehesten die arbeitenden Menschen treffen, von denen einer einmal ein Haus weitergibt an die nachfolgende Generation. Wenn man da eine Vermögenssteuer einführt, kann ich gleich vorweg sagen: Da werden sich die wenigsten dann noch ein Eigenheim leisten können. Die wirklich Schwerreichen, die können sich das immer leisten – aber man trifft damit nur den Mittelstand.

Wäre es nicht zumindest ein Symbol, eine Erbschaftssteuer für Superreiche einzuführen?

Ich bin nicht der Meinung, dass man durch eine solche Symbolpolitik etwas ändert. Denn die Superreichen können es sich relativ leicht machen mit Stiftungen, mit Sitzverlegungen ins Ausland – und damit dem Fiskus entgehen. Und generell halte ich von einer solchen Neiddiskussion einfach nichts.

Putin-Besuch „ein Meisterstück der Diplomatie“

Von der österreichischen auf die weltpolitische Bühne: Was unterscheidet den österreichischen Bundespräsidenten vom russischen Präsidenten?

Es sind viele Eigenschaften, die die beiden unterscheiden. Ich kenne den Herrn Putin nicht persönlich und Herrn Van der Bellen nur ein bisschen, aber der Unterschied ist in erster Linie: Putin raucht nicht! (lacht)

Es gab ja zuletzt etwas Aufregung um den Besuch des russischen Präsidenten bei der Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl, die auf einem FPÖ-Ticket in der Regierung sitzt, weil sie ein Knickserl vor Putin gemacht hat. Wieso sucht die FPÖ seit Jahren die Nähe zu Russland?

Wir suchen überhaupt nicht die Nähe zu Russland, sondern wir suchen vielmehr ein vernünftiges Verhältnis zu den Großmächten auf dieser Welt – zu den USA, zu Russland und zu China. Das brauchen wir in einer globalen Welt. Alle reden immer von der Weltoffenheit und Toleranz und enden in der Twitter-Blase am Enter-Knopf. Russland ist eine Weltmacht sowie die USA und China.

Aber nach China ist die FPÖ ja noch nicht gepilgert?!

Selbstverständlich. Wir waren schon mit einer großen Regierungsdelegation in China.

Ja, mit Bundespräsident Van der Bellen auf Staatsbesuch.

Ich war selbst schon in China mit einer Delegation und erinnere mich mit Vergnügen an diese Reise. Wir sind viel weltgewandter als das manche glauben wollen.

Aber bei Putin sucht ja die FPÖ als Partei – und nicht der Staat Österreich – die Nähe. Warum macht man das?

Wir wollen uns eine Gesprächsbasis am Leben erhalten. Schauen wir uns die Hochzeit von Außenministerin Kneissl an – was sind das für tolle Bilder für den Tourismus, tolle Bilder der Gastfreundlichkeit. Bei jedem anderen Politiker wäre das ein Meisterstück der Diplomatie gewesen. Wenn es sich um Freiheitliche handelt, dann sucht man wieder das Haar in der Suppe. Am Ende des Tages: Ich kenne viele, die die tatsächliche Nähe zu Russland suchen. Das sind Hunderte Unternehmer in Oberösterreich, die durch die dummen Brüsseler Sanktionen extreme wirtschaftliche Einbußen haben. Die würden sich viel mehr Nähe wünschen, weil dadurch in Oberösterreich Arbeitsplätze gesichert werden. Die Sanktionspolitik ist ausgesprochen dumm!

Die FPÖ sitzt in der Regierung. Sie könnten ja die nächste Verlängerung der Sanktionen – wenn darüber im EU-Ministerrat wieder abgestimmt wird – blockieren.

Vizekanzler HC Strache hat eindeutig festgehalten, dass wir in Europa nicht ausscheren werden, aber dass wir uns innerhalb der Europäischen Union dafür einsetzen, dass die Sanktionen beendet werden. Der erste Tag, an dem diese Sanktionen aufgehoben werden, ist der beste Tag. Dann können wir wieder in einen normalen Dialog mit Russland eintreten.

Es hat zuletzt der ehemalige Chef des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) in einem „ZiB“-Interview gesagt, dass eine Zusammenarbeit mit den österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) nicht mehr möglich ist. Der Grund sei, dass die FPÖ quasi die „fünfte Kolonne“ von Russland sei und Informationen von anderen westlichen Geheimdiensten via Österreich nach Russland gelangen könnten.

Er hat im gleichen Interview gesagt, dass es keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der Zusammenarbeit gibt. Das war ein „besonders glaubwürdiges“ Interview eines ehemaligen Nachrichtendienstchefs.

Solche Vorwürfe eines ehemaligen BND-Chefs können Ihnen ja nicht ganz egal sein.

Es ist merkwürdig, dass der BND offensichtlich die österreichische Politik ausspioniert hat.

Also für Sie ist die Zusammenarbeit der Geheimdienste nicht beeinträchtigt?

Ich habe keine Kontakte zu Nachrichtendiensten in diesem Land oder zu ausländischen Nachrichtendiensten. Dieses Interview, dass sie ansprechen, hat sich von vornherein ad absurdum geführt. Einerseits tritt er arrogant auf und kommentiert die österreichische Innenpolitik. Auf der anderen Seite hat er keine Anhaltspunkte, dass irgendeine Verschlechterung eingetreten ist. Was soll das eigentlich?

Und nebenbei: Es interessiert mich schon, was da war, als man die österreichische Bundesregierung ausspioniert hat. Dieses Thema interessiert mich viel mehr – sind dann direkt die Erkenntnisse des BND in die USA gegangen? Kann man das ausschließen?

„Wir sehen uns als Friedensbotschafter auf der Welt“

Warum glaubt die FPÖ, dass kein Schaden für die Republik entsteht, wenn sie so russlandfreundlich auftritt? Klarerweise sind da alle West-Alliierten alarmiert.

Aber das schlägt ja dem Fass den Boden aus. Die Sanktionen schaden Österreich – nachweislich. Es gibt Betriebe, die Zigmillionen Euro Einbußen haben. Die Sanktionen schaden uns und nicht eine Politik des Ausgleichs und der Objektivität, die wir mit allen Weltmächten leben wollen. Für mich ist das kein Thema, dass wir genauso mit den USA in Kontakt treten. Ich bin auch bei den Empfängen der amerikanischen Botschaft schon gewesen – das ist wichtig für Österreich. Wir wollen einfach zu den Weltmächten ein normales Verhältnis haben.

Die FPÖ ist ja trotzdem nach Moskau gefahren, Strache hat den Diktator Kadyrov in Tschetschenien besucht. Unabhängig dessen, dass diese Personen nicht so ganz demokratisch an die Macht gekommen sind – sie sind darüber hinaus mit Auftragsmorden, etwa in Großbritannien, in Verbindung gebracht worden. Warum bemüht man sich um den Umgang mit solchen Personen?

Wir reden von Weltpolitik und wir identifizieren uns ja nicht mit Machthabern. Entschuldigung, bitte: Was hat Kreisky gemacht? Er hat von Gaddafi einen Ordnen bekommen und Arafat salonfähig gemacht, der dann sogar den Friedensnobelpreis erhalten hat…

…also das ist das Ziel?

Das Ziel ist, als neutrales Land friedensstiftend unterwegs zu sein. Weltpolitik und Diplomatie funktionieren so, dass man sich diplomatische Kanäle offen hält. Wenn es diese nicht mehr gibt, sieht man etwa in Nordkorea, was rauskommt. Es geht um positive Politik des Miteinander-Redens und nicht um das Identifizieren mit der Politik dieser Staaten und Machthaber. Das muss man deutlich unterscheiden.

Also für Sie ist das nicht Parteipolitik, sondern Sie sehen die FPÖ als Emissär des Staates Österreich?

Wir sehen uns als Friedensbotschafter auf der Welt.

Kein Wählerneid zwischen ÖVP und FPÖ

Wenn man Umfragen Glauben schenken möchte, hat die FPÖ zuletzt etwas an Zuspruch verloren. Bundeskanzler Sebastian Kurz deckt ja, seit er ÖVP-Chef geworden ist, die rechte Flanke relativ gut ab. Betrachtet die FPÖ diesen Rechtsruck der ÖVP mit Sorge?

Ganz im Gegenteil. Ich wünsche mir, dass Kurz auch einige seiner Landeshauptleute-Kollegen dazu bewegen kann, dass sie etwas vernünftiger denken. Wenn ich da an die Westachse des Herrn Platter oder Wallner denke, die derzeit das Geschäft der Sozialisten erledigen. Denn, eines ist klar: Einen Bundeskanzler Kurz und diese vernünftigen Veränderungen gibt es nur mit der FPÖ.

Also kein Wählerneid zwischen FPÖ und ÖVP?

Offensichtlich funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Kurz und Strache besser als zwischen Kurz, Wallner, Platter und Haslauer.

Hat die FPÖ keine Angst, dass Ihnen Kurz die Wähler bei der nächsten Wahl wegnimmt?

Angst ist überhaupt keine politische Kategorie.

Ihnen wird ja nachgesagt, dass Sie nach der nächsten Landtagswahl gerne Landeshauptmann werden würden. Ist dieses Ziel noch aufrecht?

Mir wird vieles nachgesagt. Aber ich kann nur eines sagen: Da wird noch viel Wasser den Fluss hinunterrinnen.

Aber den Anspruch werden Sie ja haben, als zweitstärkste Partei?!

Diese Frage stellt sich überhaupt nicht – das werden wir beantworten, wenn es so weit ist. Ich hoffe, dass wir weiter an Zuspruch gewinnen und dass die Wähler in Oberösterreich zufrieden sind mit der Politik, die ich mit meinem Team mache.

Werden Sie mit dem aktuellen Team in die nächste Wahl gehen?

Es wird sicher Änderungen im Team geben, das ist ganz normal. Eine Veränderung in der personellen Zusammensetzung ist immer wieder.

Sie meinen Landesrat Elmar Podgorschek?

Das hat überhaupt nichts mit Personen zu tun, sondern damit, dass manche ein gewisses Alter erreichen, die sagen, sie werden nicht mehr kandieren. Ich werde mit allen Regierungsmitgliedern sowie Landtags- und Nationalratsabgeordneten sprechen und dann werden wir in Ruhe unsere Entscheidungen treffen.