Elmar Podgorschek hat als Mitglied des Bundesparteivorstandes die Einsetzung der Historikerkommisson zur Durchleuchtung der Geschichte der FPÖ mitbeschlossen. Der 60-jährige Rieder ist in der Landesregierung für Sicherheitsfragen zuständig. Im „Kurier“-Interview spricht er über die Burschenschafter und die Freiheitlichen.
Sie sind Mitglied der Burschenschaft Germania zu Ried. Haben Sie Ihr Liederbuch auf historisch belastete Text schon durchgesehen?
Wir haben kein eigenes Liederbuch. Wir halten uns an das allgemein deutsche Kommersbuch, das in Deutschland aufgelegt wird. Das wird auch vom Cartellverband (CV) verwendet. Bei uns werden nur diese Lieder gesungen.
Der Schriftsteller Ludwig Laher wirft der Germania vor, dass der SS-Scherge und führende Gestapo-Mann Friedrich Kranebitter Mitglied bei der Germania und sein Foto in einer Festschrift im Jahr 2000 enthalten war.
Der Herr Laher will wahrscheinlich seinen Roman verkaufen, was ich verstehe.
Keiner von uns hat gewusst, dass Kranebitter in den 1920er-Jahren bei uns aktiv war. Er hat bis 1957 unbehelligt in Linz gelebt. Er hatte nach 1945 keinen Kontakt zu uns. Er ist auch nicht mehr in den Mitgliederlisten aufgeschienen. 2000 haben wir im Archiv gesucht und das Foto hat uns gefallen. Kranebitter ist auch nie verherrlicht worden. Der Herr Laher hat das Buch erst 2003 geschrieben. Wie hätten wir da reagieren sollen?
Die Burschenschafter gelten als deutschnational.
Wir sind natürlich ein Bestandteil des Dritten Lagers. Das Dritte Lager stammt aus der alten national-freiheitlichen Gesinnung. Ich bekenne mich zu einer deutschen Kulturgemeinschaft. Man gesteht jeder politischen Gesinnungsgemeinschaft zu, dass sie sich wandelt und weiterentwickelt. Den Sozialdemokraten der 1920er-Jahre, die noch die Diktatur des Proletariats wollten, unterstelle ich heute auch nicht mehr, dass sie das noch wollen. Auch die Christlich-Sozialen, die von 1934 bis 1938 eine ständestaatliche Diktatur geführt haben, haben sich weiterentwickelt. Natürlich hat unsere Richtung autoritäre Züge getragen. Es waren sehr viele in das System des Nationalsozialismus involviert. Aber nachdem sich alle Proponenten, die heute in der Politik arbeiten, sich weiterentwickelt haben, muss man das auch uns zugestehen. Wir sind weder im 19. Jahrhundert noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stehen geblieben. Wir wollen diesen unseligen Zeiten weder huldigen noch sie zurück haben. Natürlich sind wir nach wie vor sehr heimatbewusst, wir haben einen konservativen Zugang zur Familienpolitik.
Wie sieht diese Ausrichtung im Detail aus?
Es ist letzten Endes das, was im freiheitlichen Parteiprogramm steht. Die liberale Komponente, der Freiheitsgedanke spielt eine große Rolle.
Freiheit in Abgrenzung zur Kirche? Als Antiklerikalismus?
Auch da hat sich eine Wandlung vollzogen. Im 19. Jahrhundert gab es noch den Widerspruch Kirche gegen liberales Bürgertum. Aber heute ist das obsolet. Heute verlaufen die Bruchlinien ganz woanders. Nämlich innerhalb der Kirche. Wir haben die starke Gruppierung des Ringes Freiheitlicher Katholiken. Ich kann eine Unmenge von Pfarrern benennen, die mittlerweile freiheitlich wählen.
Wer sind die?
Ich sage jetzt keine Namen, denn ansonsten bekommen sie Probleme. Sie sagen, ihr Freiheitliche seid die einzigen, die noch ein normales Familienbild vertreten, ihr seid unsere Hoffnungsträger.
Sind Sie persönlich Mitglied einer Kirche?
Nein. Ich bin in einem klassisch national-liberalen Elternhaus aufgewachsen, wo der Gegensatz zur Kirche noch vorhanden war. Ich persönlich habe mich weiterentwickelt, ich gehe in die Kirche wie jeder andere. Aber jetzt der Kirche beizutreten, wäre ein falsches Signal. Das kommt bei einem Politiker nicht gut an. Ich mache das vielleicht, wenn ich in Pension bin.
Wie definieren Sie national?
In erster Linie heimatbewusst. Österreich zuerst. Das steht im Widerspruch zur Internationalisierung der gesamten Gesellschaft. Die einzelnen Kulturen in Europa sind so wertvoll, dass man sie schützen muss. Ich möchte nicht, dass man rund um den Erdball dieselbe Kultur hat.
Ewald Stadler, ehemaliger Europaparlamentarier der FPÖ, hat den Rücktritt des niederösterreichischen Spitzenkandidaten Udo Landbauer ebenso kritisiert wie Obmann HC Strache. Stadler meint, dass sich die Burschenschafter deswegen von Strache abwenden, wie das damals unter Jörg Haider passiert ist. Gibt es eine Kluft zwischen den Deutsch-Nationalen und der FPÖ-Führung?
Nein, im Gegenteil. Wie Jörg Haider das BZÖ abgespalten hat, ist der Kern zusammengestanden und hat die FPÖ wieder aufgebaut. Ich weiß nicht, was unter dem Begriff deutsch-national so schlecht sein soll, er ist ja nur ein Kulturbegriff. Ich bin selbst zu einem Drittel Slowene. Aber wenn ich sage, dass ich als gebürtiger Innviertler auch Niederbayer bin, ist sofort Feuer am Dach.
Ewald Stadler ist ein Zündler. Er hat es nicht verkraftet, dass es ihm nicht gelungen ist, im Kampf mit Strache die Partei zu übernehmen. Jetzt versucht er, persönlich Rache zu üben. Er hat seit dem Zeitpunkt, wo er zum BZÖ gegangen ist, jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Ich war am Montag beim Bundesparteivorstand, die Stimmung ist hervorragend. Es gibt überhaupt keine Differenzen, im Gegenteil. Natürlich würde es gewissen Teilen der Gesellschaft gefallen, wenn wir streiten. Der wahre Hintergrund dieser ganzen Kampagne ist, wenn diese Regierung funktioniert, und ich bin da sehr optimistisch, dann sind die Linken die nächsten zehn Jahre weg von den Futtertrögen. Österreich wird dann nicht mehr von einer linken Minderheit diktiert, sondern es ist in der Mitte angelangt.
Eine Reihe von Burschenschaftern ist nun den Ministerbüros in führenden Funktionen tätig. Die SPÖ sieht hier rechtsextreme Kräfte am Werk.
Sie sieht die Felle davonschwimmen. Es ist nichts leichter, als diese Mitarbeiter zu denunzieren. Sie arbeiten seit Jahren im Parlamentsklub und sie haben ordentliche Arbeit geleistet.
Es gibt viele Burschenschafter, die wirtschaftlich erfolgreich waren. Wie zum Beispiel Ferdinand Porsche. Die Gründer der Sozialdemoraktie Viktor Adler und Engelbert Pernerstorfer und in Deutschland Ferdinand Lasalle waren ebenfalls Burschenschafter. Es hat damals unter den Burschenschaftern eine sehr linke Richtung gegeben. Aber die Sozialdemokraten haben sich irgendwann von ihrer eigenen Geschichte verabschiedet, was wir nicht tun. Der amerikanische Außenminister George Shultz war ein Burschenschafter. Robert Blum, der 1848 erschossen worden ist, war ein jüdischer Burschenschafter.
Es hat mit dem unseligen Antisemitismus eine Fehlentwicklung gegeben. Aber das war bei anderen Gruppen genauso, wie zum Beispiel in der katholischen Kirche. Vom Wiener christlich-sozialen Bürgermeister gibt es den berühmten Spruch, wer ein Jud’ ist, bestimm’ ich. Ich messe die SPÖ auch nicht an den Aussagen des Otto Bauer oder von Julius Tandler, der auch unwertes Leben vernichten wollte.